Ronnie Coleman: Von der Polizeischule zum achtfachen Mr Olympia

Mitsuru Okabe (MOC Video) begleitete zur Jahrtausendwende einen Polizisten im texanischen Arlington, um seinen Alltag zu skizzieren. Der Beamte nahm an Meetings Teil, fuhr mit seiner Partnerin im Streifenwagen umher und kümmerte sich um eingegangene Notrufe. Zum Abschluss gab der damals 36-jährige noch zu Protokoll, seinen Traumjob auszuführen – es handelte sich um den amtierenden Mr Olympia: Ronnie Coleman.

Ronnie Coleman in Zahlen

  • Ronnie wurde am 13. Mai 1964 in Bastrop, Lousiana, geboren.
  • Ronnie ist 180cm groß.
  • Zu seiner aktiven Zeit brachte er in der Offseason bis zu 145 Kilogramm auf die Waage, sein höchstes Wettkampfgewicht waren 136 Kilogramm.
  • Ronnie Colemans Wettkampf-Statistik

Ende der Neunziger Jahre war die Welt des professionellen Bodybuildings gesäumt mit Topathleten: Kevin Levrone, Flex Wheeler, Shawn Ray oder ein aufstrebender Jay Cutler lieferten sich epische Kämpfe auf den Pro-Bühnen der damaligen Zeit. Einem gelang es jedoch, aus der qualitativ extrem hochwertigen Masse herauszustechen. Er bestach mit brutaler Muskelmasse, einer wahnsinnigen Härte, äußerst stimmigen Proportionen und einer durchaus ästhetischen Linie – an Big Ron sollte später in gleich acht aufeinander folgenden Jahren (1998-2005) kein Weg vorbei führen, wenn es um die Krönung des Mr Olympia ging.

Wenn sich damalige Konkurrenten oder Legenden aus der Welt des Bodybuilding zu Ronnie äußern, sind äußerst positive Aussagen die absolute Regel. Neben seiner phänomenalen körperlichen Erscheinung punktete der Texaner mit einer sehr sympathischen, bodenständigen Art. Ob Dauerrivale Jay Cutler, der achtfache Mr Olympia Lee Haney oder Arnold Schwarzenegger: Wer über Big Ron spricht, kommt aus dem Schwärmen kaum noch heraus.

Was Ronnie in seinem Leben auch anfasste, er war nach eigenen Angaben stets darum bemüht, seine beste Leistung abzurufen. Er bezeichnet sich rückblickend als einen fleißigen Schüler mit nennenswertem sportlichen Talent. Er hoffte auf eine Karriere als Football-Profi, da er in der High School und später auf der Universität auf höchstem Niveau spielte und von NFL-Scouts gesteckt bekommen hatte, gut genug für den Draft zu sein. Nach einer langwierigen Nackenverletzung und einem daraus resultierendem Trainingsrückstand wagte es der King allerdings nie, sich für das Auswahlverfahren anzumelden.

Stattdessen entschied sich Ronnie nach einer zweijährigen Findungsphase dazu, Polizist zu werden. Er legte sich wie üblich von Beginn an ins Zeug und wurde zu seiner großen Freude mit dem Rookie of the Year-Award ausgezeichnet – der muskulöse Neuling hatte seine Berufung gefunden. Nach einiger Zeit sichtete mit Brian Dobson der Besitzer eines örtlichen Hardcore-Fitness-Studios den außergewöhnlich gut gebauten Polizisten und bot ihm eine freie Mitgliedschaft in seinem Metroflex Gym an. Rostige Gewichte und ein staubiger Tresen – Big Ron fuhr im Vergleich zu den zahlreichen Pros, welche im legendären kalifornischen Golds Gym trainierten, ein waschechtes Kontrastprogramm.

Brian brachte Ronnie die Grundlagen des Bodybuilding nah: Training, Ernährung, Posing. Der Studiobesitzer brachte seinen Schützling dazu, an sich zu glauben. Er sah großes Potential und erfreute sich an einem fleißigen Schüler, der das Training liebte und sich zu immer neuen Höchstleistungen pushte. Noch heute sind beide miteinander befreundet und trainieren gemeinsam im Metroflex Gym – der King blieb seinen Wurzeln stets treu.

Während zahlreiche Größen gleich zu Beginn ihrer Pro-Karriere verheißungsvolle Platzierungen einfuhren und sich potentielle Wachablösungen früh abzeichneten, musste Ronnie sich von ganz hinten heran kämpfen. Bei seinem ersten Auftritt im Rahmen von Mr Olympia wurde der spätere Dominator nicht einmal gewertet, anschließend folgten Platzierungen jenseits der Top fünf. Beim finalen Triumph von Dorian Yates belegte Big Ron den neunten Rang – 1997 hätte es wohl niemand für möglich gehalten, dass der texanische Außenseiter nur ein Jahr später das Zepter an sich reißen würde.

Im Vorfeld des 1998 in New York City abgehaltenen Wettbewerbs stand im Grunde genommen nur die Frage im Raum, ob Flex Wheeler oder Kevin Levrone zum neuen König gekrönt werden würden. Die Legenden der späten Neunziger berichteten später, dass sie ihren Augen kaum trauen mochten, als sie Ronnie backstage begegneten – was zum Teufel war mit dem semiprofessionellen Bodybuilder aus dem Süden der Staaten passiert? Wie konnte er urplötzlich das beste Paket schnüren, welches die Welt jemals zu Gesicht bekommen hatte?

Wenige Stunden später war es dann soweit: Flex Wheeler wurde als Zweiter ausgerufen und Big Ron, Wochen danach übrigens noch immer völlig überrascht von seinem Triumph, sank fassungslos zu Boden. Doch der überglückliche Sieger ruhte sich nicht auf seinem Erfolg aus – Ronnie legte über Jahre hinweg immer noch ein Stück zu und präsentierte dem Publikum immer extremere Muskelberge

Naturgemäß gelang es ihm irgendwann nicht mehr, seine Härte aus den Neunziger Jahren abzurufen. Der Umfang seiner Taille wuchs stetig, was Big Ron allerdings mit besagtem Zuwachs in Sachen Muskelmasse ausbügelte. Als sich Jay Cutler 2001 dann auch noch in unwiderstehlicher Form befand, härter und in Puncto Linie überzeugender als der amtierende Champion, schien Ronnies Erfolgsserie zu enden. Doch die Judges entschieden sich gegen Jays Formstärke und für Ronnies beeindruckende Dimensionen.

Der King wäre nicht der King, wenn er aus 2001 keine Konsequenzen gezogen hätte. Ronnie beherzte die Kritik an seiner fehlenden Härte und präsentierte sich fortan auch im Bezug auf die Taille etwas schlanker. Befand er sich 2003 vielleicht in der Form seines Lebens, spürte er doch immer Jays Atem im Nacken. Sein blonder Herausforderer legte an Muskelmasse zu, tauchte so gut wie immer äußerst formstark auf Wettbewerben auf und wartete geduldig auf seine Chance.

Doch erst im Jahr 2006 musste Big Ron seinem jüngeren Konkurrenten weichen. Zuvor gelang es dem Texaner, unglaubliche acht Titelgewinne am Stück einzufahren. Der wahnsinnige Rekord von Lee Haney war eingestellt – zum alleinigen Rekordhalter sollte es Ronnie allerdings nicht mehr bringen.

Dass Big Ron seinen Sport einfach liebt und ein Kämpfer ist, sollte sich ein Jahr später wieder einmal zeigen. Der entthronte König kündigte zur Überraschung vieler an, bei Mr Olympia 2007 anzutreten. Seine besten Tage waren vorbei und Jay auf dem Gipfel seines Schaffens – trotzdem betrat der achtfache Sieger die Bühne mit einem breiten Lächeln, nahm sich wie üblich Zeit für seine Fans und beschwerte sich im Nachgang nicht über den vierten Platz.

Ronnie war für einen Bodybuilder außergewöhnlich stark. Er trainierte mit Gewichten, welche ein Großteil der anderen Profis nach Aussage von Flex Wheeler nicht einmal in Erwägung gezogen hätten. Es überrascht nicht, dass Ronnie Mitte der Neunziger in Powerlifting-Wettbewerben antrat und Trainingsvideos über das Stemmen schwindelerregender Gewichte zeugen: Kniebeugen oder Kreuzheben mit über 360 Kilogramm und Bankdrücken mit einer knapp 230 Kilogramm schweren Langhantel sprechen eine deutliche Sprache („Leightweight, Baby!“).

Das harte Training hat seinen Preis. Ronnie leidet seit einigen Jahren vermehrt unter großen gesundheitlichen Problemen und konnte zwischendurch aufgrund von extremen Beschwerden im Bereich der Hüfte und seiner Wirbelsäule über Monate hinweg kaum laufen. Verschiedene Operationen und zahlreiche medizinische Therapien hielten den ehemaligen Mr Olympia allerdings niemals davon ab, das Eisen zu schwingen – notfalls auf Krücken und unter dem Einwirken starker Schmerzmittel.

NETFLIX Doku: Ronnie Coleman – THE KING

Heute lebt Ronnie mit seiner Frau und zwei Kindern – wie könnte es bei ihm auch anders sein – nach wie vor in Arlington, trainiert weiterhin sechs Mal pro Woche im Metroflex Gym und bewirbt seine weltweit gut laufenden Signature Series. Fragt man Big Ron nach dem größten Bodybuilder aller Zeiten, nennt dieser stets brav Legenden wie Arnold Schwarzenegger oder Flex Wheeler. Erkundigt man sich allerdings bei Phil Heath, Lee Haney, Jay Cutler oder einem der anderen großen Idole unseres Sports, lautet die Antwort so gut wie immer: Ronnie Coleman.

Bilder im Artikel: Per BernalRonnie ColemanNetflixYouTubeMr.Olympia/IFBB Pro LeagueKevin HortonMuscletime

 

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