Klimmzüge sind eine spezielle Übung. Obwohl sie in der Grundversion lediglich mit dem Körpergewicht ausgeführt werden, stellt das Erreichen der ersten Wiederholung insbesondere für Frauen, aber auch für Anfänger im Training, eine Herausforderung dar, die mit Stolz gemeistert wird. Dies ist vermutlich auch der Grund, warum sich die meisten Klimmzug-Ratgeber auf genau diesen Schritt konzentrieren. Doch was ist zu tun, wenn man zwar in der Lage ist, die ersten Klimmzüge zu absolvieren, allerdings nach einigen Wiederholungen stagniert? Dieser Artikel soll dabei helfen, mehr als fünf Klimmzüge zu schaffen.
Klimmzug ist nicht gleich Klimmzug
Zunächst einmal sollte klargestellt werden, von welcher Art von Klimmzug die Rede ist. Im Englischen wird zwischen Pull Up und Chin Up unterschieden, während im Deutschen oft einfach nur vom Klimmzug gesprochen wird.
Beim Pull Up wird der Obergriff verwendet, während beim Chin Up der Untergriff genutzt wird. Der Chin Up ermöglicht mehr Einsatz des Bizeps und ist daher technisch einfacher auszuführen als der Pull Up.
Weitere Griffvarianten sind Klimmzüge mit Parallelgriff, ähnlich dem Chin Up, und Kommando-Klimmzüge, bei denen man sich abwechselnd seitlich an der Stange hochzieht. Im Folgenden bezieht sich „Klimmzug“ auf den Pull Up. Wir konzentrieren uns auf die Verbesserung dieser klassischen Übung, die sowohl im Bodybuilding als auch im Kraftsport oft genutzt wird.
Wie sollte die Ausführung der Klimmzüge erfolgen?
Nachdem geklärt ist, von welcher Art Klimmzug wir sprechen, stellt sich die Frage, wie diese ausgeführt werden sollen. Im CrossFit gibt es etwa den Butterfly Pull Up. Diese Form wird von Fitnesssportlern oft als weniger konventionell betrachtet. CrossFit ist ein Leistungssport und der Butterfly Pull Up, der auch erlernt werden muss, stellt eine Variante dar, um von einer vollständigen Streckung möglichst effizient in die Endposition zu gelangen, bei der das Kinn über die Stange zeigt.
Im Rahmen dieses Artikels konzentrieren wir uns auf sogenannte strikte Klimmzüge (Strict Pull-Ups). Diese sollen ohne bewussten Schwung ausgeführt werden, wobei zwischen den Wiederholungen keine Pausen erforderlich sind.
Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Aufwärtsbewegung mit maximaler Geschwindigkeit (jedoch ohne Schwung) durchgeführt wird. Die letzten Zentimeter der Bewegung, bei der das Kinn über die Stange geführt wird, können mithilfe der bis dahin aufgebauten Geschwindigkeit überwunden werden. Dies geschieht in der Regel automatisch, wenn die Anweisung zur maximalen Geschwindigkeit beachtet wird.
Abwärtsbewegung beachten
Die Abwärtsbewegung sollte kontrolliert und ohne übermäßiges Abbremsen erfolgen. Es ist wichtig, sich nicht einfach fallen zu lassen, aber auch das Herablassen nicht unnötig hinauszuzögern. Am obersten Endpunkt der Bewegung sollte keine Pause eingelegt werden.
Die hier beschriebene Übung zielt auf eine Kraftsteigerung ab und nicht auf die maximale Nutzung des Rückens, bei der bewusst ohne Einsatz der Arme gearbeitet wird. Wenn das Hauptziel im Bodybuilding liegt und aktuell weniger als fünf Klimmzüge geschafft werden, ist es ratsam, mit dem Latzug zu arbeiten und dabei die bewusste Ansteuerung der Rückenmuskulatur anzustreben. – Generell sollten jedoch auch Sportler, die den Muskelaufbau primär im Fokus haben, von einer grundlegenden Kraft profitieren.
First things first: Pack die Klimmzüge an den Anfang deiner Einheit
Um mehr Klimmzüge zu schaffen, musst du Klimmzüge machen. Darum wirst du nicht herumkommen. Was generell simpel und logisch erscheint, wird dennoch immer wieder von Sportlern vergessen, wenn sie bei der Anzahl ihrer Klimmzüge stagnieren und keine Progression schaffen.
Der zweite, ebenso wichtige und häufig übersehene Punkt lautet: Wenn du die Anzahl an Klimmzügen erhöhen möchtest, solltest du diese zu Beginn der Trainingseinheit durchführen. Die vorherige Umsetzung von Übungen wie Kreuzheben, Rudern, Bankdrücken, Kniebeugen oder einer anderen Form von Belastung führt zu einer doppelten Vorbelastung. Zum einen wird die Muskulatur, die dabei beansprucht wurde, bereits vorermüdet sein. Arme und Rücken, die für Klimmzüge benötigt werden, sind bei nahezu allen komplexen Übungen direkt oder indirekt involviert.
Zum anderen führt diese Belastung zu einem Laktatanstieg in der jeweiligen Muskulatur. Dieses wird hauptsächlich in der Leber abgebaut, wobei die Abbaurate begrenzt ist. Daher sind wir bei Belastungen, die länger als nur ein paar Sekunden dauern, auf die Energiebereitstellung mithilfe von Sauerstoff angewiesen, die mehr Zeit benötigt als die ATP-Produktion ohne Sauerstoff. Die Muskeln können dadurch weniger Arbeit leisten.
Dieser zweite Effekt wird nicht immens groß sein. Doch auch wenn wir beispielsweise nur an der Beinpresse gearbeitet haben und Rücken und Arme so gut es ging ungenutzt ließen, wird der Körper während anschließender Klimmzüge mit einem parallelen Abbau des Laktats aus der Beinmuskulatur beschäftigt sein. Wir haben weniger freie Ressourcen, wirklich alles aus den Klimmzügen zu holen.
Der mentale Aspekt sollte nicht vernachlässigt werden
Ein dritter Effekt tritt auf mentaler Ebene auf. Stell Klimmzüge in den Mittelpunkt deines Trainings, anstatt sie nur ergänzend durchzuführen. Menschen beginnen ihr Training am Montag auch nicht mit der zweiten oder dritten Übung, bevor sie zum Bankdrücken übergehen. Wenn du deine Leistung bei Klimmzügen steigern möchtest, sollten diese nicht nur aus physiologischen Gründen im Fokus Ihrer Trainingseinheit stehen, sondern auch aus psychologischer Sicht.
Behaupte nicht nur, dass diese Übung für dich wichtig ist. Sei davon überzeugt und gehe mit einem klaren Kopf in die Trainingseinheit und zur Klimmzugstange.
Powerliftingtemplate für mehr als 5 Klimmzüge
Obwohl Klimmzüge in der Regel nur eine untergeordnete Rolle in der Trainingsplanung spielen, gibt es häufig einen zweiten wesentlichen Aspekt, wenn Personen Schwierigkeiten haben, die Anzahl ihrer Klimmzüge zu steigern. Es mangelt oft an einer systematischen Vorgehensweise bei diesem Unterfangen.
Zwar kann auch eine nicht strukturierte Herangehensweise zu einer Steigerung der Klimmzuganzahl führen. Personen, die ihre Leistung im Kreuzheben, Kniebeugen und anderen komplexen Übungen verbessern, erhöhen in der Regel mit der Zeit ebenfalls die Anzahl ihrer Klimmzüge, ohne speziell darauf hintrainieren zu müssen. Wenn man jedoch bewusst mehr als fünf Klimmzüge schaffen will, sollte man anders vorgehen.
Was ist ein Template?
Es kann sinnvoll sein, ein Powerlifting-Template zu verwenden. Templates sind Vorlagen, die das Training strukturieren und skalieren. Der wesentliche Vorteil dieser vorgegebenen Pläne besteht darin, dass man überhaupt einen strukturierten Plan hat.
Selbstverständlich bietet ein allgemeines Template keine individuelle Lösung für spezifische Probleme, jedoch ist es wichtig zu beachten, dass grundlegende Ziele, wie einige Klimmzüge zu schaffen, im Vordergrund stehen und nicht das Brechen von Weltrekorden im Kreuzheben. Für Personen in der Anfangsphase ihres Trainings bieten Templates eine kostengünstige und effektive Methode zur Verbesserung ihrer Leistungen.
Es geht dabei nicht darum, jede Einheit alle geforderten Wiederholungen zu schaffen oder hier einen magischen Weg aufzuzeigen. Das Ziel ist in erster Linie, dass du lernst, einen Plan zu haben und diesen strukturiert über mehrere Wochen zu verfolgen. Wer das tut, wird am Ende in jedem Fall mit Erfolgen belohnt werden!
Mehr Klimmzüge: Umsetzung in der Praxis
Wie soll das in der Praxis umgesetzt werden? Zunächst werden Resistance Bands benötigt, die im Powerlifting für variablen Widerstand in den Hauptübungen genutzt werden. Zudem wird ein Dip-Gürtel (oder zu Beginn vielleicht sogar nur ein Judo-Gürtel) gebraucht, um das Gewicht um die Hüfte zu schnallen. Wer bereits vier bis fünf Klimmzüge schafft, wird auch eine Einzelwiederholung mit Zusatzgewicht schaffen. Möglicherweise sogar mehr als gedacht.
Schritt 1: Maximalwert ermitteln
Die erste Aufgabe besteht darin, die maximale Leistung bei Klimmzügen mit Zusatzgewicht zu ermitteln. Wärme dich zunächst wie gewohnt auf. Führe ein oder zwei Klimmzüge durch, um dich mental auf den Bewegungsablauf einzustellen. Versuche anschließend, eine Wiederholung mit einem Zusatzgewicht von 5 Kilogramm zu bewältigen. Dies wird oft noch machbar sein. Leichte Sportler, insbesondere Frauen, könnten hierbei bereits an ihre Grenzen stoßen.
Athleten, die 80 Kilogramm und mehr wiegen, sollten in der Regel aber auch noch das ein oder andere zusätzliche Kilogramm auflegen können. Steigere dich in 2,5-Kilogramm-Schritten mit einzelnen Wiederholungen. Lasse zwischen den Versuchen mindestens zwei Minuten Pause, damit deine Kreatinphosphatspeicher sich ausreichend erholen können. Am Ende wirst du deine Berechnungsgrundlage für Schritt 2 ermittelt haben.
Schritt 2: Wähle dein Template…
Nachdem du ermittelt hast, mit wie viel Zusatzgewicht du eine Wiederholung bei den Klimmzügen schaffst, geht es im nächsten Schritt darum, das passende Template zu wählen. Generell würde ich kein Template von vornherein ausschließen wollen. Es gibt Programme mit eher niedrigem Volumen wie Wendlers 5/3/1 oder auch Programme mit einem sehr hohen Volumen wie Smolov, das bereits ein Extrem-Beispiel darstellen würde.
Je nachdem, wie du bisher trainiert hast und wie groß deine Trainingserfahrung und dein Körpergefühl sind, würde ich jedoch insbesondere beim ersten Versuch eher zu einem niedrigvolumigeren Template raten.
Überlastungen vermeiden
Der Hauptgrund dafür ist, Überlastungen zu vermeiden. Wenn bisher wöchentlich insgesamt etwa 10, 15 oder 20 Klimmzüge ausgeführt wurden, würde diese Zahl bei Smolov erheblich überschritten werden, was das Verletzungsrisiko erhöhen könnte.
Klimmzüge stellen keine vollständig natürliche Bewegung dar. Wenn der Arm über den Kopf gestreckt und dann so am Körper heruntergezogen wird, wie es am natürlichsten erscheint, drehen sich die Hände zum Körper hin, bis die Handflächen zur Seite zeigen. Dies ist jedoch bei Klimmzügen nicht der Fall. Entsprechende Muskelspannungen können zu einer Überlastung führen, die als Golferarm bekannt ist und auch im Klettersport häufig vorkommt.
Um dieser Überlastung vorzubeugen, empfiehlt es sich, speziell nach dem Training eine bewusste Massage des Unterarmbereichs durchzuführen. Sollte man jedoch derzeit lediglich etwa fünf Klimmzüge bewältigen, ist der Körper möglicherweise bis jetzt nicht für ein höheres Trainingsvolumen bereit.
Welches Template ist für mehr Klimmzüge geeignet?
Welches Template sollte man also nehmen? Smolov hat ein zu großes Volumen. Wendler wäre zwar geeignet, ist aber aufgrund der verschiedenen Prozentzahlen kompliziert umzusetzen, wie wir noch sehen werden. Angesichts dessen wäre meine Empfehlung eine reduzierte Russian Routine, die wie folgt aussieht:
- Woche 1: 3 x 6 x 80 %
- Woche 2: 4 x 6 x 80 %
- Woche 3: 5 x 6 x 80 %
- Woche 4: 6 x 6 x 80 %
- Woche 5: 5 x 5 x 85 %
- Woche 6: 4 x 4 x 90 %
- Woche 7: 3 x 3 x 95 %
- Woche 8: 2 x 2 x 100 %
Das Volumen wäre hier relativ hoch, jedoch in einem vertretbaren Rahmen. Gleichzeitig würde Arbeitsvolumen einer Hauptübung gerecht werden.
Schritt 3: … und setze es um!
Angenommen, der Beispielathlet wiegt 80 Kilogramm und hat beim Test eine Wiederholung mit 10 Kilogramm Zusatzgewicht geschafft, dann beträgt der Maximalwert 90 Kilogramm. In den ersten vier Wochen wird somit mit 72 Kilogramm gearbeitet. Dies wird mithilfe von Resistance- bzw. Widerstandsbändern erreicht.
Vor etwa 15 Jahren waren diese Artikel in Deutschland noch schwer erhältlich. Heute bieten jedoch zahlreiche Geschäfte die strapazierfähigen Gummibänder an, die nicht mit Terrabändern verwechselt werden sollten. Inzwischen ist es auch so, dass die meisten Anbieter konkrete Werte angeben, wie viel Unterstützung durch die Widerstandsbänder geleistet wird.
Eine alternative Möglichkeit besteht darin, die Bänder selbst auszutesten und einzeln oder kombiniert zu schauen, wie viele Wiederholungen man damit absolvieren kann. Zur Orientierung können folgende Werte genutzt werden:
- 30 Wiederholungen entsprechen 40%
- 25 Wiederholungen entsprechend 50%
- 15 Wiederholungen entsprechen 60%
- 12 Wiederholungen entsprechend 70%
- 8 Wiederholungen entsprechen 80%
- 3 bis 4 Wiederholungen entsprechen 90%
Wichtig ist beim Test, dass man sich entweder das Zusatzgewicht mit um die Hüfte schnallt, während man die maximale Wiederholungszahl ermittelt, oder dies bei der Berechnung berücksichtigt.
Angenommen unser Beispielsportler schafft ohne Zusatzgewicht mit einem fiktiven weißen Band acht Wiederholungen, so entspräche dies etwa 80 Prozent, was bei seiner Ausgangslage von 80 Kilogramm Körpergewicht 64 Kilogramm entsprechen würde. Für die Russian Routine wäre dies also zu wenig, da hier 80 Prozent vom 1-Wiederholungsmaximum gefordert waren.
Entweder man nimmt nun ein Band, das weniger unterstützt, oder packt sich etwa 7,5 Kilogramm zusätzlich um die Hüfte. Dies würde dann den 72 Kilogramm entsprechen, die in der ersten Woche gefordert wären. – Noch einfacher wäre es aber, den Bändertest gleich mit dem Zusatzgewicht des 1-Wiederholungsmaximums zu machen.
Hier ist nun sicher auch erkennbar, warum ich nicht zu Wendler raten würde. Das Berechnen von deutlich mehr Prozentwerten wäre ein deutlich größerer Aufwand, wobei dies sicherlich auch möglich wäre.
Abschließende Gedanken
Das beschriebene Vorgehen mit den Resistance Bändern ist nicht vollkommen exakt. Die Bänder liefern im unteren Bereich der Bewegung mehr Unterstützung als im oberen Bereich. Dennoch ermöglicht sie im Gegensatz zum Latzug oder Geräten, bei denen man mit einem Schlitten nach oben geschoben wird, den natürlichsten Bewegungsablauf.
Wenn du dich aber an den Ablauf hältst, wirst du, auch wenn du die Prozentwerte nicht exakt triffst und vielleicht sogar etwas leichter trainierst, schon nach wenigen Wochen mit mehr als fünf Klimmzügen am Stück belohnt werden. Viel Erfolg dabei!
Titelbild: Shutterstock | Autor: Dr. Frank-Holger Acker