Die Aufbauphase läuft gerade richtig gut, die Kraft steigt, die Muskeln wachsen und dann das: ein Kratzen im Hals, ein Jucken in der Nase und man ist erkrankt. Was nun? Darf man mit einer Erkältung einfach ins Training? Langsam machen und mit angezogener Handbremse trainieren? Oder muss eine Trainingspause her
Wann ist man krank? Beim ersten Niesen oder erst mit der ausgeprägten Lungenentzündung? Bei der Beantwortung dieser Frage muss man zunächst einmal zwischen dem subjektiven Empfinden und den im Körper ablaufenden Prozesse unterscheiden. Während manche beim kleinsten Schnupfen beinahe sterben, lassen sich andere trotz einer heftigen Grippe nicht davon abhalten, ihre Aufgaben zu erfüllen. Die spannende Frage ist dabei, ob Tapferkeit in diesem Fall belohnt wird.
Erkältung oder Grippe?
Ist es „noch“ eine Erkältung oder „schon“ eine Grippe? Nicht selten wird diese Frage gestellt, wenngleich sie im Grunde wenig relevant ist, denn nicht die grundlegende Erkrankung ist für die Frage, ab wann man mit dem Training aussetzen sollte, relevant, sondern die damit einhergehenden Symptome.
Der Vollständigkeit halber aber kurz zur Unterscheidung der beiden Erkrankungen: Eine Grippe bezeichnet eine Infektion mit Influenza-Viren. Eine Erkältung, oft auch als grippaler Infekt bezeichnet, kann hingegen durch eine Vielzahl von Erregern ausgelöst werden. Eine Unterkühlung ist im Übrigen nicht die Ursache für eine Erkältung, sondern kann höchstens das Immunsystem so schwächen, dass Erkältungserregern die Verbreitung erleichtert wird.
Der Grund, warum die beiden Krankheiten so oft verwechselt werden, ist die Ähnlichkeit der Symptome. Größere Unterschiede gibt es hingegen bei den Verläufen:
Eine Erkältung beginnt meist schleichend, häufig mit Müdigkeit gefolgt von einem leichten Kratzen im Hals. Nach und nach kommen dann weitere Symptome wie Schnupfen, Husten und Halsschmerzen hinzu. Eine Grippe beginnt hingegen zumeist schlagartig mit Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber und Abgeschlagenheit.
Während eine Erkältung meistens genauso schnell verschwindet, wie sie gekommen ist, können die Symptome bei einer Grippe im Extremfall mehrere Wochen anhalten.
Auf die Symptome kommt es an
Egal ob Erkältung oder Grippe: Bei der Frage, ob man trainieren sollte oder nicht, gilt es, die Symptome genau im Blick zu haben. Dabei sollte man zunächst einmal wissen, dass sowohl bei einer Erkältung als auch bei einer Grippe unser Körper unter enormen Stress steht. Das Bekämpfen des Infekts ist für unser Immunsystem enorm herausfordernd und diese Belastung steigt natürlich mit der Stärke des Infekts.
Jede weitere Belastung stresst den Körper noch mehr, was das Immunsystem weiter schwächen und dadurch die Erreger sogar noch stärken kann. Deshalb ist es zwar durchaus möglich, bei einer leichten Erkältung, die sich primär auf die Nase auswirkt, noch Sport treiben, jedoch sollte die Intensität deutlich reduziert werden. Insbesondere andauernde aerobe Belastungen und Belastungsspitzen gilt es zu vermeiden.
Bei einer Erkältung sollte man nicht ins Training
Nicht wenige Ärzte empfehlen generell, bei Erkältungssymptomen mit dem Sport auszusetzen. Dr. Ursula Hildebrand, Leiterin der Sportkardiologischen Ambulanz Bonn und Ärztin am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Sporthochschule Köln brachte es in einem Interview mit der Welt auf einen einfachen Nenner: „Grün-gelber Rotz heißt „NEIN“ zum Sport.“
Äußerst vorsichtig sollte man bei Halsschmerzen sein. Diese können Anzeichen einer Erkältung sein, können aber auch auf eine bakterielle Mandelentzündung hindeuten, die sich gerne im Windschatten einer Erklätung breitmacht. Die Bakterien machen sich dabei das geschwächte Immunsystem zu Nutze und befallen die Mandeln, von wo aus sie sich schnell auf andere Organe ausbreiten können. Bei Halsschmerzen gilt daher: Das Immunsystem so wenig wie möglich stressen und bestenfalls einen Arzt konsultieren.
Bei Fieber sollte das Training definitiv ausfallen und eine längere Trainingspause eingeplant werden. Man sollte mindestens eine Woche nach Abklingen der Symptome abwarten, bevor man wieder ins Training einsteigt. Nach einer leichteren Erkältung kann man hingegen zumeist direkt nach Abklingen der Symptome wieder loslegen.
Horrorszenario Myokarditis
Immer wieder hört man von Todesfällen unter Sportlern, die sehr früh wieder ins Training eingestiegen sind. Ein häufiger Grund hierfür ist die Myokarditis oder Herzmuskelentzündung. Diese entsteht zwar nicht durch eine Erkältung oder Grippe, macht sich aber die Schwäche des Immunsystems zunutze.
Wird der Körper in diesem Zustand mit einem aggressiven Erreger konfrontiert, sieht sich unser Herz einer sehr bedrohlichen Erkrankung ausgesetzt, die nicht richtig behandelt tödlich enden kann. Selbst wenn die Entzündung frühzeitig erkannt und behandelt wird, sind in der Folge Sportverbote von sechs Monaten und länger keine Seltenheit.
In der Ruhe liegt die Kraft
Krank zu trainieren, ist fast immer eine Milchmädchenrechnung. Die körperliche Verfassung verhindert in der Regel ohnehin ein wirklich intensives und damit zielführendes Training. Als Preis für ein bestenfalls mittelmäßiges Training zahlt man mit einem zusätzlich gestressten Immunsystem, was fast immer dazu führt, dass der Krankheitsverlauf sich weiter verlängert und der Zeitpunkt des nächsten wirklich effektiven Trainings immer weiter nach hinten geschoben wird.
Einzig bei ganz leichten Erkältungen kann leichtes Ausdauertraining helfen, die Durchblutung anzuregen und dadurch die Heilung zu verkürzen. In allen anderen Fällen sollte eine Trainingspause eingeleitet werden, denn eine zu früh angesetzte Einheit kann einen im schlimmsten Fall sogar um Monate zurückwerfen und zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Das ist im Übrigen auch der Grund, warum selbst kleinere Erkrankungen im Leistungssport sehr ernst genommen werden.
Das Immunsystem stärken
Bei einer bestehenden Erkrankung ist es ratsam, die Flüssigkeitszufuhr zu erhöhen. Die Flüssigkeit wird benötigt, um die Schleimhäute feucht zu halten und den Körper vorm Austrocknen zu schützen. Ideal sind warme oder heiße Getränke wie Kräutertee oder auch Gemüsebrühen, gerne mit Ingwer verfeinert.
Darüber hinaus sollte man dem Körper ausreichend Vitamine und Mineralstoffe zuführen, um die Regeneration zu unterstützen, insbesondere dann, wenn es einem in Folge der Erkrankung nicht danach steht, größere Mengen zu essen.
Vorsorge statt Nachsorge
Der sinnvollste Weg, Krankheiten zu begegnen, ist sie gar nicht erst aufkommen zu lassen. Bei der typischen Influenza gibt es eine Impfung. Dieser Impfschutz ist jedoch nie hundertprozentig und kann selbst gewisse Nebenwirkungen haben, bewahrt einen aber in vielen Fällen vor einer Grippe. Wichtig: Der Grippeschutz muss jedes Jahr erneuert werden, da sich die Virenstämme ständig weiterentwickeln.
Ein mächtiges Tool im Kampf gegen Erkältung und Grippe ist Hygiene: Regelmäßiges Händewaschen und die Benutzung eines Desinfektionsmittels für die Hände sind nicht erst seit Corona absolut sinnvoll. Um das Immunsystem zu stärken, empfiehlt sich eine ausgewogene Ernährung und vor allem ausreichend Schlaf.
Wer sich immer wieder mit Infekten konfrontiert sieht, sollte dann auch einmal die Trainingsplanung kritisch hinterfragen und unter Umständen die Regenerationszeiten ausbauen.
Autor: Thomas Koch | Titelbild: Shutterstock