Arnold: Die prägendste Figur in der Geschichte des Bodybuildings (Teil 2)

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Bis in die Mitte der Siebziger Jahre gelang es Arnold Schwarzenegger sich sportlich gesehen praktisch fortwährend zu steigern. Den zweiten Mr. Olympia-Titel gewann Arnold allerdings kampflos: Mit Sergio Oliva, Franco Columbu und Roy Callender wurden alle drei potentiellen Kontrahenten des Österreichers im Vorfeld der Show disqualifiziert, da diese an Wettbewerben von konkurrierenden Verbänden Teil genommen hatten. Der IFBB ging, wie bereits im ersten Teil erwähnt, nicht gerade zimperlich zu Werke, um sich als größte Bodybuilding-Organisation der Welt zu etablieren. Im Hinblick auf eine angeblich in Aussicht gestellte Aufnahme ins Olympische Programm für die Sommerspiele 1976 in Montreal, waren die Weider-Brüder ohnehin bereit, über Leichen zu gehen.

Ein Jahr später setzte sich der Österreicher dann allerdings auch im direkten Vergleich auf der Bühne gegen starke Gegner wie seine beiden ehemaligen Bezwinger Sergio Oliva und Frank Zane durch. 1973, interessanter Weise bis heute das einzige Jahr, in welchem das Preisgeld im Vergleich zum Vorjahr sank (von 1000 auf 750 US-Dollar), präsentierte Arnold das vielleicht beste Paket seiner Laufbahn. Er bot seine für damalige Verhältnisse wahnsinnige Muskelmasse, gepaart mit einer bei ihm selten zuvor gesehenen bemerkenswerten Definition auf und gewann erneut den Titel des Mr. Olympia. Auch 1974 führte mal wieder kein Weg am Europäer vorbei: Zwar reiste Arnold diesmal nicht ganz so hart nach New York, in Puncto Muskelmasse sollte er jedoch seinen absoluten Höhepunkt erreicht haben.

Parallel begann der Österreicher damit, einen immer größeren Fokus auf die Karriere nach seiner Bodybuilding-Laufbahn zu legen. Er hatte es geschafft, bereits erste kleinere Auftritte in Filmen und im Fernsehen zu ergattern und war gewillt, alles dafür zu tun, um ein Hollywoodstar zu werden – sein Idol und guter Freund Reg Park hatte es vorgemacht. In Folge des siegreichen Mr. Olympia-Wettbewerbs von 1974 ergab sich die große Chance, eine große Rolle im potentiellen Blockbuster „Stay Hungry“ (in Deutschland als „Mr. Universum“ erschienen) zu erhalten. Eine Voraussetzung stellte allerdings dar, dass Arnold nahezu zwanzig Kilogramm an Muskelmasse abnehmen musste – Regisseur Bob Rafelson überprüfte laut einer gerne erzählten Anekdote des späteren Politikers unmittelbar vor Beginn der Dreharbeiten, ob der Österreicher diesbezüglich liefern konnte. Er konnte.

Der Film wurde ein Erfolg und Arnold erhielt gute Kritiken für seine schauspielerische Leistung. Im Anschluss an die Dreharbeiten traten Produzenten eines weiteren Leinwandprojekts an den Österreicher heran. Doch diesmal war es an den Filmemachern, zu betteln und zu hoffen: Ein Team aus unabhängigen Dokumentarfilmern hatte sich zum Ziel gesetzt, dem US-amerikanischen Publikum die größtenteils unbekannte Subkultur des Bodybuildings näher zu bringen. Das Problem dabei: Der einzige einigermaßen bekannte Athlet und zweifelsohne das Zugpferd der gesamten Bewegung hatte eigentlich seine Wettkampf-Karriere beendet, um als Schauspieler in Hollywood durchzustarten.

Was Arnold angeblich überzeugte, war die Tatsache, dass der Film ohne sein Mitwirken gar nicht erst gedreht worden wäre – was gerade für seine vielen Studio-Freunde und seine Lieblingssportart einen kleinen Rückschlag dargestellt hätte. Vermeintlich klein natürlich nur deshalb, weil sich absolut niemand hätte erträumen können, mit welcher Wucht besagte Dokumentation im gesamten Land einschlagen sollte. Kult, Meilenstein, Meisterwerk – Pumping Iron übertraf sämtliche Erwartungen. Die Idee war simpel: Ein Team um Regisseur George Butler wollte die Vorbereitungen auf den Mr. Olympia-Wettkampf 1975 mit der Kamera einfangen, während sich die Charaktere – also die Bodybuilder – einfach entfalten durften. Im Anschluss stand der Dreh des Wettbewerbs auf dem Programm und nach einigen Monaten im Schnittraum würde man probieren, die günstig produzierte Dokumentation in kleineren Kinos zu zeigen.

Hier geht es zum ersten Teil

Einige von den Produzenten zuvor nicht planbare Umstände halfen allerdings mehr oder weniger zufällig dabei mit, den Film in Sachen Dramaturgie und Spektakel auf ungeahnte Höhen zu hieven: Zum einen befand sich Arnold nach dem starken Gewichtsverlust für seine Filmrolle 1975 nicht auf seinem sportlichen Zenit und der gut fünf Jahre jüngere Lou Ferrigno aus New York City, welcher dem Österreicher im Vorjahr auf der Bühne noch klar unterlegen gewesen war, schickte sich an, die Form seines Lebens zu erreichen. Der zuvor über viele Jahre hinweg nur durch den zu besagtem Zeitpunkt bereits zurück getretenen Sergio Oliva gefährdete Champion hatte demnach plötzlich einen ernstzunehmenden Herausforderer und die Dokumentation dadurch einen dramatisch angehauchten roten Faden. Joe Weider persönlich befeuerte übrigens diesen potentiellen Zweikampf in seinen Magazinen ebenfalls, da seine Absatzzahlen sanken, nachdem der Österreicher keine Widersacher mehr hatte.

Und zum anderen verfügte man über einen sehr talentierten Hauptdarsteller, welcher sich auch als ein solcher verstand. Arnold präsentierte sich im Gegensatz zu seinen Kollegen vor der Kamera nicht einfach als er selbst, er spielte die Rolle des unantastbaren und vollkommen emotionslosen Champions. Ein gutes Beispiel für Arnolds Ideenreichtum verdeutlicht eine Szene, in welcher er berichtet, er habe im Vorjahr die Nachricht über den Tod seines Vaters telefonisch von seiner Mutter erhalten und ihr sinngemäß schlicht gesagt, er wolle nicht zu Beerdigung kommen, da ein wichtiger Wettkampf ansteht, er seinen Vater ohnehin nicht gemocht hätte und keinen Sinn darin sieht, für einen Toten in die Heimat zurückzukehren. Der Österreicher erzählte Jahre später, dass es sich um eine komplett erfundene Geschichte gehandelt hatte. Sein Vater war bereits 1972 (gut drei Monate nach Arnolds drittem Mr. Olympia-Triumph) verstorben und zudem haben beide laut Aussagen des Österreichers zuvor ein sehr gutes Verhältnis zueinander gehabt. „People will write about it in the headlines“ – auch aufgrund des kaum greifbaren und damit faszinierenden Charakters des ultimativen Champions strömten die Massen später ins Kino.

Der im Film in die Richtung einer emotionslosen Maschine sterilisierte Arnold, der tatsächlich herzensgute – und wahrlich nicht wie in der Dokumentation präsentierte überehrgeizige – Lou, Regisseur George Butler und all die anderen Protagonisten gaben im Nachhinein zu, die konfliktbehaftete Situation zwischen dem europäischen Titelträger und seinem amerikanischen Antagonisten größtenteils künstlich aufgebauscht zu haben. Sogar einige der Dialoge waren komplett vom Drehbuch vorgegeben – in Kombination mit zahlreichen sehr authentischen Momenten aus dem Leben der Bodybuilder, kreierten die Macher von Pumping Iron einen spektakulären intimen Einblick in eine zuvor praktisch unbekannte Welt.

1977 erschien die Dokumentation schließlich und hievte Bodybuilding auf ein komplett neues Level. Zuvor von einem Großteil der Gesellschaft praktisch nie gesehene ästhetische Körperbauten, starke Persönlichkeiten und das irgendwie mitreißende Script beeindruckten das amerikanische Publikum zutiefst. In jedweder Hinsicht stach der verstörende und doch charmante sowie humorvolle Arnold heraus und wurde noch vor seiner Actionfilmkarriere endgültig zu einem Star. Aus einer belächelten Subkultur entwickelte sich eine schillernde Bewegung, welcher plötzlich Abertausende von Männern – und natürlich auch viele Frauen – angehören wollten. Überall wuchsen Fitness-Studios aus dem Boden und nach und nach entwickelte sich ein Industriezweig, welcher heute viele Milliarden Dollar jährlich umsetzt.

Nach seinem in Pumping Iron ausführlich dokumentierten Sieg beim Mr. Olympia-Wettkampf von 1975 verkündete Arnold noch auf der südafrikanischen Bühne das vermeintlich endgültige Ende seiner Karriere. Er widmete sich in den folgenden Jahren der Schauspielerei und begann damit, an Jim Lorimers Seite Bodybuilding-Veranstaltungen zu organisieren und sogar im US-Fernsehen Wettkämpfe zu kommentieren. So dachten auch 1980 die Teilnehmer des Mr. Olympia-Events, der Österreicher reise mit nach Sydney, um für den Sender CBS tätig zu sein. Ein Irrtum, wie sich aber erst einen Tag vor der Show herausstellen sollte.

Arnold war zu besagter Zeit im Begriff, sich für eine seiner legendärsten Filmrollen vorzubereiten: Für die Produzenten von Conan der Barbar konnte ihr Hauptdarsteller gar nicht muskulös und durchtrainiert genug sein. Also begann der kommende Weltstar damit, sich in aus alten Tagen gewohnter Manier auf seinen großen Job vorzubereiten. Gut acht Wochen vor der anstehenden Reise nach Australien fasste er schließlich den Entschluss, die Rolle des Kommentators durch die des Wettbewerbers auszutauschen. Seinen Konkurrenten gegenüber hielt der Österreicher besagtes Vorhaben geheim.

Dieses Vorgehen trug seine Früchte. In den drei Jahren zuvor war mit Frank Zane ein ausgesprochen wohlgeformter und stets grandios definierter Athlet zum Champion gekürt worden – im Gegenzug bot der äußerst ästhetische Amerikaner nennenswert weniger Muskelmasse als Arnold in der ersten Hälfte der Siebziger Jahre an. So präsentierte der Schauspieler 1980 auf der Bühne seine klassischen Muskelberge, während sich die meisten Mitbewerber (welche sich nachvollziehbarer Weise im Rahmen ihrer Vorbereitung an der Messlatte Frank Zanes orientiert hatten) zwar härter zeigten, zugleich in Puncto Masse jedoch ausdrücklich nicht überlegen waren. Die Judges entschieden sich schließlich für den Österreicher, welcher zum schlussendlich siebten Mal den wichtigsten Titel der Welt einheimste.

Photo: Albert Busek Archiv 

Der IFBB erntete im Nachgang viel Kritik für Arnolds unverhofften Triumph. Der Österreicher hatte sich erst am Vortag des Events eingeschrieben, was den Regularien nach eigentlich nicht erlaubt gewesen wäre. Zudem saßen mit Albert Busek und Reg Park zwei seiner bereits erwähnten ehemaligen Mentoren als Richter in der Jury und waren damit sehr wahrscheinlich voreingenommen. Viele der unterlegenen Konkurrenten empörten sich über besagte Umstände, weshalb ein entthronter Frank Zane beispielsweise den Wettkampf im Folgejahr boykottierte, während Mike Mentzer seine Karriere wenig später dem Vernehmen nach aus Protest komplett beendete (was allerdings darüber hinaus damit zu tun hatte, dass er als Favorit nach Australien gereist war und letztendlich nur den fünften Platz erringen konnte).

Insgesamt betrachtet, ging Arnolds Einfluss auf das gesellschaftliche Ansehen und die Beleibtheit des Bodybuildings weit über seine Darstellung in Pumping Iron oder den Gewinn der vielen großen Trophäen hinaus. Nachdem er mit Conan der Barbar seinen ersten echten Hit als Hauptdarsteller in Hollywood landete, bekam er weitere große Filmrollen. Spätestens in diesem Rahmen überzeugte er wohl endgültig Millionen von Menschen auf nahezu der gesamten Welt, sich mit Themen wie Fitness und Körperkultur auseinanderzusetzen. Zunächst sorgte er auf der großen Leinwand als Bodybuilder dank sehr charismatischen Auftritten für eine gesellschaftliche Akzeptanz seiner Lieblingssportart, später katapultierte er als muskelbepackter Actionstar den heute allseits präsenten Körperkult geradewegs in die Mitte der US-amerikanischen und westeuropäischen Gesellschaft. Wohl niemals zuvor oder danach gelang es einem Athleten auch nur im Entferntesten, die Welt des Bodybuildings derart zu prägen.

Autor:  Nico Schmidt – Titelbild: Denis Ivanov Photo / Shutterstock.com

 

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