Gerade unter Bodybuildern und Kraftsportlern ist das Ausdauertraining nicht gerade für seine Beliebtheit bekannt. Obwohl die meisten Trainierenden wissen, dass regelmäßiges Cardio-Training viele Vorteile für die Gesundheit mit sich bringt, aber auch die Trainingsleistung im Eisensport verbessern kann, fürchten sie sich dennoch vor einem Verlust von Muskelmasse. Worauf solltest du also achten, wenn du Cardio sinnvoll in dein Krafttraining einbauen möchtest?
Cardio richtig machen: Typische Fehler beim Cardio-Training! So verhinderst du den Muskelverlust
Vorteile von Cardio-Training für Bodybuilder und Kraftsportler
Regelmäßiges Ausdauertraining ist gut für das Herz, die Blutgefäße, sowie Blutdruck, Blutzucker und allgemeines Wohlbefinden. Doch viele dieser Effekte erreichst du ebenso gut durch das Krafttraining. Wieso also solltest du daneben also zusätzlich Cardio-Training absolvieren? Weil Ausdauertraining dir helfen kann, deine Leistungsfähigkeit im Gym zu verbessern. Vor allem moderates Ausdauertraining führt dabei zu einer Verbesserung des Fettstoffwechsels und verbessert deine Grundlagenausdauer.
Während du beim Training mit Gewichten meist phasenweise kurze Herzfrequenzspitzen erreichst und damit hauptsächlich in eine anaerobe Stoffwechsellage gerätst, trainierst du bei niedrigintensivem Cardio-Training vor allem die unteren Bereiche der Herz-Kreislauf-Leistungsfähigkeit. Dadurch bildest du die Basis deiner Ausdauer-Kapazität und senkst deinen Ruhepuls. In Folge dessen steigt dein Puls auch bei anderen Belastungen nicht mehr so schnell an und die „Pumpe“ ist seltener limitierend für deinen Trainingssatz.
Beispielsweise wird ein Satz Kniebeugen oft nicht aufgrund lokalen Muskelversagens im Quadrizeps beendet, sondern weil der Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden kann. Daher kann dir Cardiotraining helfen, nicht zu schnell außer Puste zu kommen und intensive Sätze bei komplexen Übungen länger durchzuziehen.
Weiterhin wird durch das Training des Fettstoffwechsels, das ebenfalls eher in moderaten Intensitäten stattfindet, die Energiebereitstellung während des Trainings optimiert. Cardio-Training hilft dir dabei, die Schwelle, ab der keine Fette sondern nur noch Kohlenhydrate verbrannt werden, nach oben zu verschieben. Dadurch kannst du auch bei langen und intensiven Belastungen anteilig mehr Fette mobilisieren und trainierst damit effizienter.
Als weiteren Punkt, dient lockeres Cardio-Training bekanntermaßen auch der aktiven Regeneration nach intensiven Krafteinheiten. So kann eine lockere Runde Joggen oder Gehen, die Durchblutung und den Stoffwechsel anregen, Stoffwechselendprodukte abtransportieren und die Gelenke mit geringer Intensität mobilisieren. Nur durch adäquate Regenerationsstrategien kannst du während des Trainings deine volle Leistung abrufen. Cardio-Training kann dabei ein wichtiger Baustein sein.
Häufig ist Cardio aber auch schlicht ein Mittel zum Zweck: Gerade unter Bodybuildern wird Cardio häufig, wenn auch widerwillig, als Instrument für erfolgreiche Reduktion von Körperfett im Rahmen einer Wettkampfdiät eingesetzt. Doch auch Powerlifter sind manchmal dazu gezwungen, ein paar Kilo zu verlieren, wenn sie eine Gewichtsklasse nach unten kommen möchten und verwenden dafür unter anderem Cardio-Training. Allerdings verzichten auf der anderen Seite auch viele Athleten darauf, weil sie dadurch ihre Leistung im Studio beeinträchtigt sehen und erreichen das nötige Kaloriendefizit allein durch Ernährung oder Krafttraining.
Warum Bodybuilder Angst vor Muskelabbau haben
„Cardio killt deine Gains!“ So oder so ähnlich hat jeder ambitionierte Studiobesucher es schon einmal ausgedrückt, der wenig Lust auf Cardio-Training hatte. Tatsächlich existieren verschiedene Szenarien, in denen Cardio-Training den Aufbau von Kraft und Muskelmasse beeinträchtigen kann.
Bodybuilder wollen während des Trainings vor allem den sogenannten mTOR-Pathway stimulieren. Dieser ist für die Aktivierung der Proteinsynthese und Bildung von Wachstumsfaktoren verantwortlich und stellt damit einen stark anabolen Stoffwechselweg dar. Beim Cardio-Training wird dagegen vor allem der AMPK-Pathway eingeschlagen.
Dieser Stoffwechselweg beginnt über das Enzym AMPK (AMP aktivierte Proteinkinase) und sorgt für konstante Energieversorgung in der Zelle bei Energiemangel. Dadurch werden energieaufwändige Prozesse wie Biosynthesen abgeschaltet und der Stoffwechsel ist in einer generell katabolen Lage. AMPK sorgt allerdings auch für die Erstellung von Mitochondrien und stellt damit eine Anpassung an das Ausdauertraining dar.
Die Aktivierung von AMPK hemmt gleichzeitig mTOR und umgekehrt. Dies ist weiterhin ein Grund dafür, warum es in den meisten Fällen sehr schwer bis unmöglich ist in einem Energiedefizit nennenswert Muskeln aufzubauen. Somit stehen die beiden Stoffwechselwege im scheinbaren Widerspruch zueinander, allerdings ist dieser in der Praxis gar nicht so groß, wie man zunächst meinen könnte.
In Studien konnte gezeigt werden, dass durch kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining sowohl mTOR als auch AMPK aktiviert werden und auch die Aktivierung von mTOR eine Synthese von Mitochondrien bewirken kann. Demgegenüber konnte festgestellt werden, dass sich Ausdauertraining nach dem Krafttraining nicht generell negativ auf die Aktivierung von mTOR auswirkt. Wie so oft macht wahrscheinlich die Dosis das Gift und der richtige Zeitpunkt einen wichtigen Unterschied.
Typische Fehler beim Cardio-Training
Schauen wir uns also ein paar typische Fehler bei der Umsetzung des Cardiotrainings an und wie diese sinnvoll vermieden werden können.
Zu intensives Ausdauertraining
Mit steigender Intensität des Ausdauertrainings folgt auch eine stärkere Aktivierung des AMPK-Wegs und damit eine stärkere Hemmung des mTOR. Je intensiver die Ausdauerbelastung ist, desto weniger Fette können zudem verstoffwechselt werden. Daher erhöht sich daher schnell das Risiko, das neben Kohlenhydraten aus den Glykogenspeichern auch wertvolle Aminosäuren über die Gluconeogenese zu Energie gemacht werden, statt in Proteine verbaut zu werden.
Die Lösung:
Nutze vor allem moderates Ausdauertraining als Ergänzung für dein Krafttraining. Vor allem, wenn du bereits im Krafttraining phasenweise hohe Pulsfrequenzen erreichst, ergibt das Training der Grundlagenausdauer auch aus Leistungssicht deutlich mehr Sinn und schont deine Muskelproteine. Wer ganz sicher gehen will, trinkt ein paar BCAAs, die vornehmlich zur Energiegewinnung genutzt werden.
Der falsche Zeitpunkt
Wird zunächst der AMPK-Weg eingeschlagen und erst im Anschluss mTOR aktiviert, so kann diese Stimulation geringer ausfallen. Für diese Erkenntnis braucht man jedoch keinen Hochschulabschluss in Biochemie. Es ist auch durchaus logisch, dass mehr Energie für diejenige Tätigkeit aufgewendet werden kann, die als erstes absolviert wird. Für die nachfolgende Aktivität stehen dann logischerweise weniger energetische, aber auch muskuläre Ressourcen zur Verfügung. Denn vor allem bei intensivem Cardio vor dem Krafttraining kann sich die Kraft im Training schnell verringern.
Die Lösung:
Du solltest dein Cardio-Training entweder nach dem Krafttraining oder an Tagen ohne Krafttraining absolvieren. In beiden Fällen erzeugst du synergistische Effekte bezüglich der Regeneration, wenn die Intensität moderat bleibt. Wer bereits eine gut ausgeprägte Grundlagenausdauer hat, kann auch intensivere Cardio-Einheiten absolvieren. In diesem Fall solltest du aber auf jeden Fall einen trainingsfreien Tag wählen und darauf achten, dass die harten Einheiten nicht gerade am Tag vor dem schweren Kniebeugen anstehen. Sollten sich deine Prioritäten einmal umkehren, ist es an der Zeit auch über deine Trainingsreihenfolge nachzudenken.
Zu großes Kaloriendefizit
Wenn du bisher Cardio vor allem im Rahmen einer Diät genutzt hast, um deinen Fettabbau zu unterstützen, solltest du besonderes Augenmerk auf die Wahl deines Cardio-Trainings legen. Denn gerade bei sehr intensivem Training werden in diesem ohnehin katabolen Zustand vermehrt Eiweiße verbrannt – vor allem wenn das Cardio-Training ein zu großes Kaloriendefizit erzeugt. Dadurch entsteht ein starker Energiemangel und eine noch größere Aktivierung von AMPK statt mTOR.
Die Lösung:
Wenn du auch in der Diät Cardio machen möchtest, verzichte besser auf intensive Einheiten und strebe kein zu hohes Energiedefizit an. Zusätzlich kannst du, wie bereits erwähnt, durch die Gabe von BCAAs das Cardio-Training „sicherer“ gestalten. Diese dienen während des Trainings als Muskelschutz und Aktivator von mTOR. Einerseits werden sie direkt verstoffwechselt und schonen damit den körpereigenen Aminosäure-Pool. Andererseits stimuliert vor allem Leucin den mTOR-Pathway und verringert damit die Hemmung durch AMPK. Dies trifft auch auf die anderen genannten Problemszenarien zu und stellt generell eine gute Ergänzung dar.
Der Trainingszustand spielt eine Rolle
Die Art und Weise, wie sich mTOR und AMPK zueinander verhalten, ist unter anderem auch vom Trainingszustand abhängig. Während Anfänger und leicht Fortgeschrittene auch bei kombiniertem Kraft- und Ausdauertraining sowohl ihre Kraft-, als auch Ausdauerleistung gleichermaßen verbessern können, sollten Fortgeschrittene und Profis Ihr Training stärker in eine Richtung priorisieren.
Falls du jedoch bereits mehr Krafttraining als Cardio-Training betreibst, ist dieses Verhältnis vermutlich bereits gewahrt. Achte in diesem Fall auf die genannten Hinweise zur Trainingsgestaltung, damit du auch tatsächlich vom Ausdauertraining profitierst und es nicht gegen dich arbeitet.
Fazit
Ein negativer Effekt durch moderates bis intensives Cardiotraining ist zwar anhand der Theorie durchaus plausibel, kann jedoch per se nicht bewiesen werden. Darüber hinaus lässt sich dieses, wie im Artikel dargestellt, durch einfache Anpassungen in der Trainings- und Ernährungsgestaltung leicht minimieren. Insgesamt sind für die meisten Athleten moderater Ansätze vorteilhaft. Intensives Cardiotraining kann für Athleten mit ausreichender Regeneration und entsprechender Zielsetzung sinnvoll sein.