Muss das sein?
Cardio in der Aufbauphase
Was hat Cardiotraining mit Bügeln, Fenster putzen und der Steuererklärung gemeinsam? Für viele Trainierende ist es ein notwendiges Übel, das man eben in Kauf nimmt, um in Form zu kommen. Zumindest im Aufbau kann man sich das dann aber doch schenken, oder?
Es gibt Menschen, die ihre Erfüllung in ausgedehnten Einheiten Ausdauersport finden und es gibt Kraftsportler. Könnte man zumindest meinen, immerhin ist Cardiotraining bei vielen Trainierenden äußerst unbeliebt und wenn überhaupt eben eine Pflichtübung. Dabei reduzieren die meisten jedoch das Cardiotraining auf den Effekt auf die Fettverbrennung, bzw. die Gewichtsabnahme. Das ist aber doch ein wenig zu kurz gegriffen.
Mehr Energieverbrauch
Natürlich ist es zutreffend, dass Ausdauertraining bei der Gewichtsabnahme nützlich ist, denn es erhöht den Kalorienverbrauch. Das hat zur Folge, dass man mehr essen kann, ohne die Energiebilanz grundsätzlich zu beeinflussen. Konkret: Wer sich in der Diät mehr bewegt, muss weniger stark an der Kalorienschraube drehen.
Da der Verbrauch beim Cardiotraining in aller Regel höher ist als beim Krafttraining und zudem Trainingsdauer und -frequenz deutlich höher ausfallen können, gehören Ausdauereinheiten in der Diät für die meisten dazu.
Ob das im Aufbau unbedingt sinnvoll ist, ist natürlich eine andere Frage und lässt sich pauschal nicht beantworten. Wer von Natur aus eher schnell ansetzt, hat so die Chance, im Aufbau die Zügel auch mal ein wenig schleifen zu lassen, ohne übermäßig zuzulegen. Wer hingegen schon so gar nicht weiß, wie er all die Kalorien, die sein Körper zum Aufbau braucht, zuführen soll, der sollte vielleicht seinen Verbrauch nicht noch zusätzlich deutlich erhöhen, wobei die Vorteile des Ausdauertrainings natürlich auch für ihn gelten.
Vielfältige Nutzen
Es gibt aber auch jenseits des Effekts auf den Energiehaushalt vielfältige Auswirkungen von Cardiotraining auf unseren Körper, die äußerst spannend sind.
In erster Linie ist dabei die verbesserte Leistungsfähigkeit unseres Herz-Kreislaufsystems zu nennen. Durch regelmäßiges Ausdauertraining sinken nämlich Ruhepuls und Herzfrequenzvariabilität. Letztere ermöglicht dabei eine bessere Anpassung an unterschiedliche Belastungen.
Dann wird die arterio-venösen O2-Differenz vergrößert. Das bedeutet, dass über die Lungen mehr Sauerstoff aufgenommen und an die Muskeln weitergeleitet werden kann, wodurch diese leistungsfähiger werden. Damit das gelingt, werden ebenfalls das Atemvolumen erhöht und die Produktion von roten Blutkörperchen, Blutplasma und Hämoglobin gesteigert.
Vor allem aber wird die Kapillarisierung verbessert. Durch regelmäßiges Ausdauertraining werden sowohl Größe als auch Anzahl dieser feinsten Blutgefäße, die letztlich die Muskulatur versorgen, gesteigert. Dadurch wird der Weg freigegeben, unter Belastung mehr sauer- und nährstoffreiches Blut in die Muskeln zu bringen, was letztlich deren Leistungsfähigkeit steigert.
Zudem wird gleichermaßen der Abtransport von Schlackstoffen, die durch die Belastung entstehen, beschleunigt, was ebenfalls die Leistung erhöht und die Regeneration fördert.
Als Sahnehäubchen wird die Anzahl der Mitochondrien, die man auch als Kraftwerke der Zellen bezeichnet, erhöht. Da in den Mitochondrien das für jede Bewegung erforderliche ATP gebildet wird, führt ein mehr an Mitochondrien auch zu einem höheren Leistungspotenzial.
Kurzum: Wer auch im Aufbau regelmäßig Cardiotraining ausführt, steigert letztlich seine Leistungs- und Regenerationsfähigkeit und damit die Erfolge im Aufbau.
Lieber kurz und knackig?
Neben der klassischen Dauermethode, bei der über einen längeren Zeitraum, meist 30 bis 60 Minuten, eine moderate Ausdauerbelastung gewählt wird, ist in den letzten Jahren das hochintensive Intervalltraining (HIIT) immer beliebter geworden. Nicht ohne Grund, ist es doch deutlich zeiteffizienter als die Dauermethode.
Grundsätzlich ist jedoch festzuhalten, dass beide Ansätze ihre spezifischen Vorteile haben, die sich im Idealfall ergänzen. Wer über eine längere Zeit mit eher niedrigem Puls trainiert, optimiert auf diesem Weg seinen Fettstoffwechsel, was dem Körper ermöglicht, Körperfett effektiver in Energie umzuwandeln. HIIT hingegen steigert den Kalorienumsatz nach dem Training deutlich mehr und ist zudem deutlich zeitsparender. Hinsichtlich des Effekts auf die Fettverbrennung sind beide Ansätze laut Studien ungefähr aber gleichauf.
Am besten ist es also, beide Formen zu kombinieren. Das hat zudem den Vorteil, dass HIIT zwar sehr effektiv, aber für den Körper auch sehr fordernd ist. Bei der Trainingsplanung spielt das mit Blick auf die Regeneration eine wichtige Rolle. Naheliegend: Am Tag nach schnellen Intervallsprints auf dem Sportplatz ein Beintraining zu absolvieren, könnte sich schwierig gestalten, eine moderate Einheit auf dem Crosstrainer ist da sicherlich unproblematischer.
Fazit: Nicht faul werden!
Ein oft unterschätzter Vorteil, das Cardiotraining im Aufbau nicht gänzlich schleifen zu lassen, liegt aber auch darin, dass man in Übung bleibt. Wer sich nach langer Zeit zum ersten Mal wieder zu einer Laufeinheit aufrafft, weiß wovon die Rede ist.
Auch wenn das Ziel vieler Trainierender in Herbst und Winter eher der Muskelaufbau ist, lohnt es sich, das Ausdauertraining aufrechtzuerhalten. Je nach individuellen Voraussetzungen kann es aber natürlich Sinn machen, Trainingshäufigkeit und -dauer etwas zu verringern.