Vor dem glanzvollen Triumphzug eines selbstbewussten Österreichers, stellte Bodybuilding eine weitestgehend unbekannte Subkultur dar, ohne nennenswerte gesellschaftliche Akzeptanz oder wirtschaftliche Bedeutung. Noch während seiner aktiven Karriere verfünfundzwanzigfachte sich das Preisgeld von Mr. Olympia. Wenig später wurden Fitness und Bodybuilding zu ernstzunehmenden Industriezweigen und Abermillionen Männer auf der gesamten Welt begannen damit, in aus dem Boden sprießenden Studios ihre Körper zu stählen. Wir werfen einen Blick zurück auf die unvergleichliche sportliche Laufbahn und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Einfluss von Arnold Schwarzenegger.
Arnold wurde im Sommer des Jahres 1947 in einer österreichischen Kleinstadt in der Nähe von Graz geboren. Obgleich große Teile Europas vom kürzlich erst beendeten Krieg stark gezeichnet waren, wuchs der sportbegeisterte Junge in mittelständischen Verhältnissen auf – sein Vater war der örtliche Polizeichef. In seiner frühen Jugend stellte Arnold dem Vernehmen nach einen äußerst talentierten Fußballer dar, den allerdings mit 14 Jahren das Kraftsport-Fieber erfasste, nachdem er im Rahmen eines Trainingslagers Zugang zu einer Art provisorischem Fitness-Studio hatte.
Nachdem er Kurt Marnul, den Gründer des wohl ersten echten Bodybuilding-Studios in ganz Österreich (welches allerdings noch unter dem Deckmantel des Gewichtshebens schlummerte, da es so gut wie unmöglich war, eine Sportstätte für einen Verein zu erhalten, welcher sich der in Westeuropa bestenfalls belächelten Sportart Bodybuilding widmete) kennen gelernt hatte, begab sich die Karriere des späteren Weltstars langsam in ihre Kinderschuhe. Arnold schloss sich der Athletic Union Graz an und lernte fortan gängige Trainingsmethoden und andere Grundlagen des Sports kennen.
Arnold Schwarzenegger 1971 in München / Bild: Albert Busek Archiv
Legendäre Geschichten über an Wochenenden stattgefundene Einbrüche im Studio – Sportvereine verfügten damals noch nicht über die Erlaubnis, außerhalb von Werktagen zu wirken – verdeutlichen, wie ernst es dem ambitionierten Nachwuchssportler seit jeher mit dem Erreichen seiner Ziele war. Dem Bodybuilding entsprungene Filmstars wie Reg Park oder Steve Reeves spornten Arnold zu dieser Zeit dazu an, der größte Bodybuilder aller Zeiten werden zu wollen. Der junge Österreicher war derart hartnäckig, dass sich Kurt Marnul schließlich dazu durchringen ließ, eine Sondergenehmigung für sein Ausnahmetalent zu erwirken – der spätere Filmstar durfte fortan alleine an Samstagen und Sonntagen im Studio trainieren.
Mit 17 Jahren leistete Arnold seinen Wehrdienst. Dieser Umstand implizierte, dass es ihm nicht erlaubt war, sein Heimatland zu verlassen. Als er allerdings die Möglichkeit erhielt, an der in Stuttgart stattfindenden Internationalen Juniorenmeisterschaft 1965 teilzunehmen, stahl er sich dennoch davon und gewann im Ausland seinen ersten größeren Titel als Bodybuilder. Zudem lernte er unmittelbar nach dem Wettkampf den Juroren und Geschäftsmann Rolf Putzinger kennen, welcher ihm anbot, nach dem Militärdienst in seinem Münchner Studio beruflich als Trainer tätig zu werden und parallel unter – für damalige europäische Verhältnisse – optimalen Bedingungen trainieren zu können. Darüber hinaus traf er erstmals auf den italienischen Gewichtheber und späteren zweifachen Mr. Olympia Franco Columbu, mit welchem er in den USA einige Jahre später über einen längeren Zeitraum hinweg zusammenleben und trainieren sollte.
Zurück in Österreich wurde der Wehrdienstleistende zunächst für seinen Fehltritt bestraft und musste gut eine Woche lang im Gefängnis ausharren. Als dann allerdings ranghohe Verantwortliche vom Sieg erfuhren, wurde er begnadigt und bei seinem Vorhaben, ein international erfolgreicher Bodybuilder zu werden, nach Kräften unterstützt. Bis zum Ende seines militärischen Wirkens, durfte Arnold sich dem Training mit Gewichten widmen.
Im Anschluss zog der spätere Gouverneur von Kalifornien dann tatsächlich nach München, arbeitete als Trainer im Herkules-Studio von Rolf Putzinger und widmete sich sowohl vor als auch nach seiner Schicht jeweils einer Trainingseinheit. Besagte Routine von zwei gesplitteten Workouts etablierte Arnold Jahre später im legendären Gold‘s Gym ein weiteres Mal und sollte damit herkömmliches Volumentrainings in völlig neue Dimensionen katapultieren.
1966, mit 19 Jahren, nahm Arnold an der europäischen Variante der Amateur-Weltmeisterschaft des NABBA in London Teil („Mr. Universum“) und belegte den zweiten Platz. Damit das Talent die Reise antreten konnte, waren Förderer, wie sein späterer Trauzeuge Albert Busek, der damals amtierende Mr. Germany Reinhard Smolana und weitere Trainingspartner bereit, den Österreicher finanziell zu unterstützen. Im Rahmen besagter England-Reise hatte Arnold das große Glück, sein Idol Reg Park in einem Studio im Osten Londons kennen lernen zu dürfen. Der britische Bodybuilder und Schauspieler nahm sich die Zeit, ein Workout sowie ein gemeinsames Posing mit dem Österreicher zu absolvieren und noch Jahre nach dem Ende seiner aktiven Bodybuilding-Karriere betonte Arnold oftmals, welch großen Einfluss besagte Begegnung auf seine künftige Laufbahn hatte.
Arnold Schwarzenegger, Albert Busek und Ken Waller / Bilder: Busek Archiv
Nach seiner für viele unerwartet hohen Platzierung, kam der spätere Actionstar hochmotiviert nach München zurück, steigerte in den kommenden Monaten auch dank einiger Modifikationen der Trainingsroutinen sein Erscheinungsbild noch einmal nennenswert und fuhr im Folgejahr den Gesamtsieg ein – als Zwanzigjähriger und damit bis heute jüngster Athlet aller Zeiten.
Im Anschluss bot Reg Park dem neuen europäischen Vorzeige-Bodybuilder an, ihn im Rahmen einiger Showauftritte durch England und Irland zu begleiten. Arnold sagte begeistert zu und war urplötzlich dazu gezwungen, auf Englisch zu kommunizieren und per Mikrofon zu hunderten von Leuten zu sprechen. Darüber hinaus lernte er die charismatische und immerzu positive Ausstrahlung seines neuen Mentors sehr zu schätzen und nahm sich den durch die Rolle des Herkules weltbekannt gewordenen Schauspieler auch diesbezüglich zum Vorbild. Sogar eine dreiwöchige Reise nach Südafrika, der Wahlheimat seines großen Idols, durfte der Österreicher wahrnehmen.
1968 musste Arnold als amtierender Amateur-Weltmeister bei den Profis antreten und sicherte sich erneut den Titel des europäischen (NABBA-)Mr. Universum. Unter den Zuschauern befand sich ein gewisser Joe Weider, um nach europäischen Talenten Ausschau zu halten. Der US-Amerikanische Geschäftsmann und Mitausrichter der beiden großen Wettkämpfe des Konkurrenz-Verbands IFBB, Mr. Olympia und (IFBB-)Mr. Universum, bot dem Österreicher an, unmittelbar nach dem Wettbewerb in die USA zu reisen und an der Mr. Universum-Show des IFBB Teil zu nehmen.
Arnold, der sich ohnehin seit langem gewünscht hatte, über den großen Teich zu fliegen und sich mit den Top-Bodybuildern aus den Staaten zu messen, ergriff auch diese Gelegenheit und sicherte sich den zweiten Platz hinter dem späteren dreifachen Mr. Olympia Frank Zane. Im Anschluss wurde er von Joe Weider unter Vertrag genommen – Joe gab neben seinem Wirken als Ausrichter von Wettkämpfen einige Bodybuilding-Magazine heraus und vertrieb bereits wenige Nahrungsergänzungsmittel – und war fortan in Kalifornien beheimatet. Die ersten Monate trainierte er in Vince Gironda’s Gym, welches etwas abgelegen im San Fernando Valley lag. Doch spätestens nach seinem Umzug nach Venice Beach, dem damaligen Mekka der Körperkultur, war die Legende um Arnolds Regentschaft im Gold‘s Gym geboren.
Der Österreicher freundete sich rasend schnell mit seinen neuen Trainingspartnern an. Qualitäten, wie Offenheit, Selbsthumor und die Ausstrahlung purer Lebenslust, hatten dem Österreicher dem Vernehmen nach bereits unmittelbar nach seiner Ankunft dabei geholfen, sich trotz einer nennenswerten Sprachbarriere überraschend schnell im Kreis der anderen Sportler zu etablieren. Spätestens nach der Ankunft von Franco Columbu – Arnold überzeugte Joe Weider davon, auch den talentierten Italiener in die USA fliegen zu lassen – war der Österreicher umringt von Freunden.
1969 gewann Arnold schließlich neben dem europäischen Mr. Universum-Titel der NABBA auch die Trophäe des IFBB und trat beim im Anschluss in New York City ausgetragenen Mr. Olympia-Wettkampf an. Wenige Jahre zuvor war besagter Wettbewerb eingeführt worden, um einen Showdown zwischen den verschiedenen Mr. Universums zu veranstalten und den ultimativen Sieger zu ermitteln (bereits ab 1971 schloss der IFBB allerdings sämtliche Athleten aus, welche parallel für einen weiteren Verband starteten und etablierte sich auch mit dieser Maßnahme als alleiniger Spitzenverband). Der Sieger der vergangenen beiden Jahre, ein Exilkubaner namens Sergio Oliva, behielt knapp die Oberhand und krönte sich zum dritten Mal in Folge zum Mr. Olympia.
Arnold bat den Kubaner im Anschluss um ein gemeinsames Training. Er besuchte Sergio in Chicago und stemmte mit seinem Konkurrenten gemeinsam die Eisen. Wie zuvor im Rahmen der gemeinsamen Workouts mit Reg Park, ließ sich der Österreicher auf die alternative Herangehensweise des erfolgreicheren Athleten ein und stellte beeindruckt fest, wie positiv seine Muskulatur auf die unbekannten Reize reagierte. Spätestens nach dieser wertvollen Erfahrung etablierte der Österreicher sein Trainingsprinzip „Shock the muscle“.
Reg Park trainierte 1966 mit deutlich mehr Gewicht und im Gegenzug weniger Wiederholungen als Arnold. Sergio Oliva hingegen widmete sich 1969 deutlich mehr Sätzen als den herkömmlichen dreien und experimentierte beispielsweise mit Supersätzen. Wahrscheinlich wurde der Österreicher auch noch von anderen Trainingspartnern beeinflusst. Ende der Sechziger Jahr führte er jedenfalls im Gold‘s Gym besagtes „Shock the muscle“-Prinzip ein: Supersätze, Pyramidentraining, Triple-Sätze, wechselnde – und damit häufig auch extrem kurze – Pausenzeiten zwischen den Sätzen und viele andere neuartige Ideen veredelten das Volumentraining der Bodybuilder. Die Hauptsache bestand darin, der Muskulatur durch immer neue und bevorzugt unbekannte Reize Anregungen zu stärkerem Wachstum zu liefern.
Zuvor hatte der Europäer bereits seine berühmte „Split routine“, also eine Teilung des Trainingstages in ein Vormittags- und ein Nachmittags-Workout, im kalifornischen Top-Studio etabliert. Mit welchen Ideen Arnold auch immer um die Ecke kam, Franco Columbu, Mike Katz, Serge Nubret und zahlreiche andere kalifornischen Topathleten der Siebziger Jahre zogen stets begeistert mit. Schließlich war der Österreicher der sportlich erfolgreichste von allen und verfügte zudem über ein gewisses Talent, Leute von seiner Sache zu überzeugen.
Franco & Arnold 2017 beim Schach / Albert Busek Archiv
1970 folgte schließlich Arnolds großer Triumphzug: Beim Wettkampf um den Titel des Mr. Universum bezwang er unter anderem sein großes Idol Reg Park, krönte sich damit erneut zu Europas Bodybuilding-König und auch in den USA ließ er seiner Konkurrenz keine Chance. Die größten Herausforderungen stellten wahrscheinlich einmal mehr die Duelle mit Sergio Oliva dar, doch diesmal behielt der selbstbewusste Österreicher die Oberhand. Europas Mr. Universum, Nordamerikas Mr. World (als Sieger durfte man zunächst kein weiteres Mal beim als Amateur-Wettkampf geltenden IFBB-Mr. Universum antreten, weshalb sich Arnold und Sergio einfach beim Gegenstück zum Mr. America, dem Mr. World, meldeten, da sie dieses noch nicht gewonnen hatten) und schlussendlich Mr. Olympia – der Österreicher konnte jeden bezwingen, der sich ihm in den Weg stellte.
Die ersten Jahre seines Abenteuers in Übersee finanzierte Arnold übrigens nicht ausschließlich vom Sponsoring-Vertrag mit Joe Weider. Er war als Barkeeper tätig, gründete gemeinsam mit seinem Freund Franco ein Konstruktionsbüro („European Brickwork“) und hielt sich zeitweise mit weiteren kleinen Jobs über Wasser. Zusätzlich besuchte er ein Community College, später nahm er Englisch- und Schauspielunterricht, um sich auf die Karriere nach dem Wirken als Bodybuilder vorzubereiten. Arnold war ein Workaholic, äußerst zielstrebig und selbstbewusst – bis zum heutigen Tag hat sich laut jüngsten Aussagen des Terminators hieran nichts geändert.
Ein gutes Beispiel für Arnolds Bereitschaft, sich immer neuen Projekten zu widmen, stellt eine Anekdote aus dem Jahr 1970 dar. Der Österreicher hatte soeben zum ersten Mal den Titel des Mr. Olympia gewonnen und derart großen Gefallen an der Organisation des Events gefunden, dass er kurzerhand auf Veranstalter Jim Lorimer zuging und ihn darüber informierte, nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn ebenfalls Wettkämpfe organisieren zu wollen. Jim nahm den Österreicher zunächst nicht wirklich ernst und als sich Arnold fünf Jahre später telefonisch bei ihm meldete, um seine Ankündigung wahrzumachen, staunte der Geschäftsmann nicht schlecht. Die Tatsachen, dass Jim und Arnold bereits im Folgejahr (1976) den Mr. Olympia-Wettkampf Seite an Seite ausrichteten und dass die in den späten Achtzigern eingeführten Arnold Classic-Wettbewerbe bis heute an Prestige kaum zu überbieten sind, zeugen vom enormen Erfolg besagter Geschäftsbeziehung.
2008: Arnold verleiht Ben Weider den Lifetime Achievement Award in Columbus/Ohio
Teil Zwei folgt in Kürze. Autor: Nico Schmidt