Eigentlich wird der Strongman-Sport von Männern dominiert, deren dreißigster Geburtstag schon einige Jahre zurückliegt. Schließlich braucht es so seine Zeit die gigantischen Muskelberge und Kräfte aufzubauen, die die Disziplin erfordert. Doch der Pole Mateusz Kieliszkowski mischte schon in einem Alter ganz vorne mit, in dem er in Deutschland noch kindergeldberechtigt wäre. Ein Megatalent, der die Fußstapfen eines legendären Landsmannes mehr als auszufüllen weiß.
Mateusz Kieliszkowski – Kindheit in Polen und Einstieg in den Strongman Sport
Mateusz Kieliszkowski wurde 1993 in Polen geboren. Er wuchs in Chlebow auf, einem Dorf mit weniger als 40 Einwohnern. In dieser nun wirklich ablenkungsfreien Umgebung fand er schon früh Zugang zum Krafttraining. In der Mittelstufe bewunderte er einen auffallend muskulösen Lehrer.
Alle von seinem Umfeld geäußerten Bedenken, er sei zu jung zum Gewichtestemmen, ignorierte er. Durch seine Mitarbeit in dem holzverarbeitenden Betrieb seiner Eltern war er auch schon jung an die körperliche Arbeit herangeführt worden und brachte bereits eine bemerkenswerte Grundkraft mit. Und auch im späteren Leben sollte er dann ja zu Genüge beweisen, dass Alter nur eine Zahl ist.
So betrieb Kieliszkowski schon mit 13 Jahren ernstzunehmendes Muskelaufbautraining. Ein Aha-Erlebnis dabei: Ein bereits fortgeschrittener Freund hob ihn über den Kopf und konnte ihn dort minutenlang in der Luft halten. Kieliszkowski wollte es ihm gleichtun, konnte seine Haltezeit aber nicht auf Anhieb schlagen. Den Freund im „Overhead Hold“ zu besiegen wurde dann zu seinem ersten Trainingsziel, das schon eine erkennbare Nähe zu typischen Strongman-Skills zeigte.
Ein 22-Jähriger an der Weltspitze des Strongman
Mit 17 nahm er an seinem ersten Strongman Wettkampf teil, der von einem Freund veranstaltet wurde. Von da aus startete seine Karriere für Strongman-Verhältnisse ausgesprochen steil. In nur wenigen Jahren arbeitete er sich in die absolute Weltklasse vor.
Mit nur 22 Jahren belegte er einen dritten Platz auf der Arnold Strongman Classic 2015. Er ist damit der jüngste Athlet aller Zeiten, der diesen prestigereichen Wettkampf auf dem Podium beenden konnte. Damit war sein Name auch dem letzten Fan endgültig ein Begriff.
Und Kieliszkowski setzte seinen Siegeszug ungehindert fort. Ebenfalls in 2015 gewann er den Proform World Cup der World Strongman Federation. Zu seinen größten Erfolgen in den darauffolgenden Jahren zählen zwei zweite Plätze 2018 und 2019 auf dem legendären World’s Strongest Man, Siege beim Arnold Pro Strongman Europe, South America und Africa, der Titelgewinn beim World’s Ultimate Strongman 2019 und viele weitere Medaillen- und Top 10-Platzierungen. Den nationalen Titel als stärkster Mann Polens sicherte von 2015 bis 2019 fünfmal in Folge.
Der Tatsache, dass er sich gegenüber der Konkurrenz in puncto Trainingserfahrung teilweise Jahrzehnte im Rückstand befand, stellte sich Kieliszkowski immer ausgesprochen selbstbewusst. Nach eigener Aussage folgte er seinen Wettbewerbern einfach auf Facebook und wusste dann, welche Leistungen es zu schlagen galt. Eine Abgeklärtheit, die sich wohl jeder in jedem Alter zum Vorbild nehmen kann.
Mateusz Kieliszkowskis Weltrekorde und Kraftwerte
Kieliszkowski hat Weltrekorde in mehreren Strongman Disziplinen aufgestellt, darunter den im Cyr Dumbbell Lift (145 Kilogramm), im Circus Dumbbell Lift (149 Kilogramm), im Stone-to-Shoulder Lift (185 Kilogramm) und im Timber Carry. Im Jahr 2021 brach er, ohne irgendeine Vorerfahrung in dieser Sportart, im ersten Versuch den Weltrekord im 100 Meter Rudern auf dem Concept 2 Ergometer.
Von seinen Kraftwerten in den „Big 3“ ist nur der Deadlift bekannt, da dieser eine Teildisziplin im Strongman ist. Hier hat Kieliszkowski 2020 mit 430 Kilogramm einen persönlichen Bestwert aufgestellt. Das Kreuzheben ist aber wohlgemerkt seine größte Schwäche.
Jammern auf hohem Niveau! Umso stärker zeigt er sich in allen Überkopf- und Druckübungen – hier können selbst die ganz großen Namen des Strongman Sports kaum mithalten.
Kieliszkowskis Training: Die Kraft aus dem Schuppen
Über Kieliszkowskis Trainingsroutine gibt es nicht viel zu erzählen. Das gilt aber für alle Strongman: Im Gegensatz zu Bodybuildern, die mit ihren Fans gern konkrete Splits inklusive Satz- und Wiederholungszahlen teilen, ist das typische Strongman-Training etwas variabler und ungeplanter. Und vor allem: Hart!
Kieliszkowski wohnt immer noch in dem polnischen Dorf, in dem er aufgewachsen ist. Er hat sich einen Schuppen mit kompletter Trainingsausstattung eingerichtet, in der er sich, häufig zusammen mit Freunden und Trainees, auf Wettkämpfe vorbereitet.
Er verwendet gern schwerere Gewichte, als sie im eigentlichen Wettkampf verwendet werden. Mehrfach pro Woche streut er auch Assistenz- und Bodybuilding-Training ein. Dazu kommt, insbesondere seit seiner Trizepsverletzung 2020 Präventions- und Rehabilitationstraining. Kieliszkowski arbeitet nach Bedarf mit verschiedenen Experten wie Physiotherapeuten zusammen, verzichtet aber ansonsten auf einen festen Coach und betreut sich selbst.
Seine Ernährung hält er schlicht. Sie basiert auf Reis, Fleisch, Fisch, Eiern, Früchten und jeder Menge Donuts. Er zählt keine Kalorien, achtet aber auf eine hohe Proteinzufuhr, die er auch zum Teil durch Whey-Protein deckt. Die Nahrungsaufnahme passt er an sein Energielevel an.
Fühlt er sich im Training zu schlapp, isst er eben größere Mengen. Erstaunlicherweise kommt er mit nur fünf Mahlzeiten am Tag aus. Erstaunlich deshalb, weil bei 150 Kilogramm Körpergewicht auf hünenhaften 1,96 Meter und täglichem harten Training ein immenser Energiebedarf anzunehmen ist, von dem man eine Verteilung auf eine höhere Mahlzeitenfrequenz erwartet hätte. Kieliszkowski verlässt sich hier auf energiereiche Lebensmittel, zum Beispiel Nüsse, dies bei ihm immer zum Dessert nach jeder Hauptmahlzeit gibt – und eben seine geliebten Donuts mit Karamellfüllung.
Die Frage nach seinem liebsten Recovery-Tool oder Supplement beantwortete er mit einem augenzwinkernden: ausreichend Schlaf.
Kieliszkowskis Social Media Präsenz
Kieliszkowski steht in einem großen Schatten seines polnischen Sportskameraden Mariusz Pudzianowski, der mit fünf World’s Strongest Man-Titeln zu den erfolgreichsten Strongman aller Zeiten zählt. Auf der anderen Seite ist Kieliszkowski nicht mehr jener Legendenstatus zu nehmen, den er sich durch seine Leistungen in extrem jungen Jahren verdient hat.
Unter den Spitznamen „Polish Titan“ oder „The Terminator“ hat sich der Sportler eine große internationale Fanbasis aufbauen können. Seinem Instagram-Account @kieliszkowskimateusz folgen über 150.000 Nutzer. Sein YouTube-Channel bringt es auf über 62.000 Abonnenten – und das, obwohl seine Videos überwiegend in Polnisch abgedreht wurden.
Überhaupt standen seinem internationalen Erfolg in den Sozialen Medien lange Zeit die fehlenden Englischkenntnisse im Weg. Ein Problem, das er sich bekanntlich mit vielen Athleten außerhalb des anglo-amerikanischen Raums teilt. In der jüngeren Vergangenheit hat er aber bereits einige Interviews souverän auf Englisch führen können.
Kieliszkowski ist verheiratet und hat eine Tochter. Er ist mittlerweile Vollzeit-Strongman und hat Deals mit großen Marken wie Reign Energydrinks, SBD und Rogue Fitness schließen können. Er hilft immer noch im Betrieb seiner Eltern aus und investiert nebenbei in Solarenergie. Das Holzgewerbe ist weiterhin sein Plan B, seine Exit-Strategie aus dem Strongman. Aber erstmal wird es da ja für ihn, soweit er von schweren Verletzungen verschont bleibt, noch für viele Jahre weitergehen. Kieliszkowskis Zeitalter hat grade erst begonnen.
Autorin: Ulrike Hacker Bilder: ROGUE, Mateusz Kieliszkowski, Arnold Sports Festival