Keone Pearson konnte in den vergangenen drei Jahren den Mr. Olympia für sich entscheiden. Der kleine Makel an dieser Bilanz: Es war „nur“ die 212-Klasse, die es nie aus dem Schatten des Open Bodybuilding geschafft hatte. Nicht nur aus diesem Grund wünschten sich viele Fans seit Jahren, dass der Ausnahmeathlet sich im Schwergewicht versucht und dort um den Titel mitkämpfen würde. Auf der Prag Pro 2025 ist es soweit, und Keone Pearson gibt sein Open-Debüt. Aber hat ein 212-Athlet überhaupt eine Chance auf den Sieg?
Die ersten Gewichtseinteilungen beim Mr. Olympia
Gewichtseinteilungen im Bodybuilding sind keine Erfindung der jüngsten Vergangenheit. Bereits in den 1970ern wurden beim Mr. Olympia zwei Sieger ermittelt, wobei die Unterteilung dabei noch bis 200 Pfund und über 200 Pfund war. Im Anschluss traten die beiden Sieger nochmals in einem Stechen gegeneinander an, sodass es am Ende nur einen wahren Olympia-Sieger gab.
Auch wenn die Einteilung nur von 1974 bis 1979 umgesetzt wurde, konnte sich – mit Ausnahme der Jahre 1974 und 1975, als Arnold Schwarzenegger jeweils gewann – stets der leichtere Athlet durchsetzen. Franco Columbu schlug im Folgejahr Ken Waller, und von 1977 bis 1979 setzte sich Frank Zane gegen Robby Robinson sowie Mike Mentzer durch.
Allen drei Schwergewichtsathleten war es somit nicht vergönnt, sich in die Liste der Mr. Olympias einzutragen, obwohl sie ihre Kategorie gewannen. Auch wenn die Klasse ab den 1980ern keinen Bestand mehr hatte, zeigt es doch, dass zumindest damals die Leistungen noch eng genug beieinander lagen, dass auch die leichteren und meist kleineren Athleten die Oberhand behalten konnten.
Lee Priest schlug Ronnie Coleman mehrfach
Nach dem Ende der Klassenunterteilung beim Mr. Olympia dauerte es knapp 30 Jahre, bis die 212 im Jahr 2008 ihre Premiere feierte – damals noch mit einem Gewichtslimit von 202 Pfund, das 2011 auf das heutige Niveau angehoben wurde. In der Zwischenzeit blieb den Athleten keine andere Wahl, als in der einzig angebotenen Kategorie zu starten. Dennoch gab es auch in dieser Zeit immer wieder leichtere Profis, die international bestehen konnten.
Das rückblickend wohl prominenteste Beispiel ist Lee Priest. Der Australier ist gerade einmal 163 cm groß und wog auf der Bühne über die Jahre hinweg kaum mehr als 212 Pfund. Damit schaffte er es Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre immer wieder, sich bis in die Top 6 vorzuarbeiten und mit der Weltelite mehr als nur mitzuhalten. Teil seines Mythos ist sicherlich auch, dass Lee Priest es in seiner Karriere mehrfach schaffte, Ronnie Coleman zu schlagen.
Bevor dieser 1998 seinen ersten Olympia-Titel gewinnen konnte, unterlag er 1997 mehr als fünfmal seinem australischen Kontrahenten. Dies führte sogar dazu, dass Ronnie Coleman überlegte, seine Bodybuilding-Karriere zu beenden – wenn selbst ein Lee Priest ihn schlagen konnte. Letztlich kam es bekanntermaßen anders. Dennoch verdeutlicht dies, dass kleine Athleten wie Keone Pearson durchaus auch gegen vermeintlich überlegene Gegner eine Chance haben.
Shaun Clarida ist der Giant Killer
Dass dies auch nicht nur in einer über 20-jährigen Vergangenheit Gültigkeit hat, beweist Shaun Clarida, der in den vergangenen drei Jahren der größte Konkurrent von Keone Pearson war. Der gerade einmal knapp 158 cm große Athlet konnte 2020 und 2022 den Olympia in der 212 gewinnen und trat bereits mehrfach im Open Bodybuilding an.
Bei der Arnold Classic 2023 wurde er Fünfter. Auf der Prag Pro 2024 schaffte der Ausnahmeathlet es sogar in die Top 5. Seinem Spitznamen „Giant Killer“ wurde der US-Amerikaner jedoch insbesondere im Jahr 2021 gerecht. Nachdem er auf dem Olympia noch Derek Lunsford unterlegen war, der im Folgejahr ins Open Bodybuilding wechselte, gewann er zwei Wochen später das Schwergewicht beim Legion Sports Fest Pro.
Keine Doppelstarts mehr seit 2021
Dabei setzte er sich gegen Athleten wie Martin Fitzwater, Tonio Burton und Regan Grimes durch und stellte die IFBB vor ein Problem. Shaun Clarida war in zwei Kategorien qualifiziert, was die Tür für einen Doppelstart öffnete. Shaun Clarida hätte diese Möglichkeit sogar tatsächlich wahrnehmen wollen, doch die IFBB entschied, dass jeder Olympia-Teilnehmer nur in einer Kategorie antreten dürfe. – Entsprechend startete auch Hadi Choopan 2019 nur im Open Bodybuilding.
Damit werden David Henry und Kevin English die einzigen beiden Athleten sein, denen diese Erfahrung beim Olympia vergönnt war. Als die 212 (damals noch als 202) erstmals beim Olympia 2018 angeboten wurde, traten beide Athleten parallel in der Open an. Während sie in der 202 den Titel unter sich ausmachten, reichte es im Open Bodybuilding nur für den geteilten 15. Platz.
Für Keone Pearson bedeutet dies, dass er spätestens mit einer Qualifikation in der Open eine Entscheidung treffen müsste. Wie diese ausfallen würde, ließ der dreifache Olympia-Sieger zumindest offiziell offen. Im Anschluss an seinen Titelgewinn 2025 wurde er auf der Bühne zu diesem möglichen Szenario befragt. Keone Pearson erklärte daraufhin, zunächst die Prag Pro 2025 abwarten zu wollen und dann eine Entscheidung zu treffen.
Weitere erfolgreiche 212-Athleten
Auch wenn Shaun Clarida der Athlet ist, der den meisten Fans im Gedächtnis geblieben ist, gab es noch weitere 212-Athleten, die nicht nur einen Ausflug ins Open Bodybuilding wagten, sondern sogar die Olympia-Quali dort holen konnten. Einen Monat nach Shaun Clarida zog Angel Calderon Frias nach. Nachdem dieser beim Olympia noch Vierter wurde, holte er in seiner spanischen Heimat den Sieg und schlug damals Emir Omeragic, der die Olympia-Quali damit verpasste.
Ein drittes Beispiel ist Kamal Elgargni. Mit über 50 Jahren gewann dieser bei seinem letzten Wettkampf die Open beim Masters Olympia 2023. Der Libanese wollte eigentlich beim Olympia erneut in der 212 antreten, verzichtete damals aber aufgrund von gesundheitlichen Vorfällen in der Familie auf die Teilnahme. Seitdem betrat der Olympia-Sieger von 2019 nicht mehr die Wettkampfbühne und wird vermutlich auch nicht mehr zurückkehren.
Ein anderer Athlet, der die 212 prägte und den viele Fans gerne in der Open gesehen hätten, war Flex Lewis. Ähnlich wie Derek Lunsford wurde dem Waliser eine Wildcard in Aussicht gestellt, die er jedoch aufgrund von Verletzungspech nicht wahrnehmen konnte. Anders als ursprünglich geplant, bekam man Flex Lewis damit nie beim Mr. Olympia in der Open auf der Bühne zu sehen.
Keone Pearson trifft bei der Prag Pro 2025 auf Samson Dauda
Wie stehen also die Chancen von Keone Pearson? Der Olympia-Sieger hatte in diesem Jahr sein Gewichtslimit von 212 Pfund praktisch ausgefüllt und damit nochmals einen enormen Sprung im Vergleich zum Vorjahr gemacht. Schon früher kokettierte er mit einem Wechsel ins Open Bodybuilding, und für viele Fans stellt die Struktur des US-Amerikaners das Idealbild im Bodybuilding dar.
Unmittelbar nach seiner Ankündigung, bei der Prag Pro 2025 antreten zu wollen, versprechen sich somit nicht wenige einen Sieg von Keone Pearson. Inzwischen ist jedoch klar, dass der frühere Olympia-Sieger und Arnold-Classic-Sieger Samson Dauda in Prag antreten wird. Der Brite fiel beim Olympia 2025 auf den vierten Rang zurück, nachdem er so leicht wie lange nicht mehr auf der Bühne stand.
Diesen Fehler wolle Samson Dauda nun auf der Bühne ausmerzen, wie er selbst verdeutlichte. Beim Olympia habe der Brite versucht, zu stark auf Konditionierung zu setzen, was letztlich deutlich auf Kosten der Masse ging. Bei der Prag Pro 2025 soll sich das Bild entsprechend ändern, was Keone Pearson den Sieg kosten könnte. Sollte der 212-Olympia-Champ aber tatsächlich den Wechsel ins Open Bodybuilding dauerhaft anstreben, sollte eine Qualifikation für den Olympia 2026 keine Frage des „ob“, sondern lediglich des „wo“ sein.
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