Kann der Körper mehr als 30 Gramm Protein auf einmal verwerten?

Die Proteinversorgung ist für Bodybuilder und Kraftsportler ein wichtiges Thema bei der Planung ihrer Ernährung. Eine oft diskutierte Frage in diesem Zusammenhang betrifft die maximale Menge an Eiweiß, die der Körper aufnehmen kann. Häufig wird eine Grenze von 30 Gramm Protein genannt. Warum diese Annahme nicht korrekt ist und wie sie entstanden ist, ist Thema des folgenden Artikels.

Du bist nicht, was du isst, sondern was du verdaust!

Wenn wir Nahrung zu uns führen, kann dies aus unterschiedlichen Gründen erfolgen. Soziale Anlässe mit Freunden oder Familie, die Befriedigung von Gelüsten, das Reagieren auf Stress oder schlichtweg auch das Optimieren der eigenen Regeneration. Insbesondere der letzte Punkt führt dazu, dass Bodybuilder und Fitnesssportler ihrer Proteinversorgung große Aufmerksamkeit schenken und in diesem Zusammenhang in der Regel mehr Eiweiß essen als die Normalbevölkerung.

Damit das Protein aber auch vom Körper zum Aufbau von Muskelmasse oder für andere Funktionen genutzt werden kann, muss diese im Rahmen der Verdauung aufgenommen werden. Diese Aufnahme geschieht für praktisch alle Nährstoffe im Wesentlichen nicht etwa im Magen, sondern dem Dünndarm.

Die Magenverweildauer als Verdauungsfaktor

Der Magen fungiert primär als Speicherorgan, in dem der Verarbeitungsprozess der Nahrung initiiert wird. Durch die Einwirkung von Magensäure, verschiedenen Enzymen und die mechanische Bewegung des Magens wird der Nahrungsbrei zerkleinert und schrittweise an den Dünndarm weitergeleitet. Die Dauer des Verweilens im Magen variiert stark je nach Art des Lebensmittels. Beispielsweise verlassen Reis oder Kartoffeln den Magen nach ein bis drei Stunden, während Speck oder fettiges Fleisch bis zu acht Stunden im Verdauungstrakt verbleiben können.

Weitere Faktoren, die die Magenverweildauer beeinflussen, sind:

    1. Temperatur: Sehr heiße oder kalte Lebensmittel und Flüssigkeiten verbleiben länger im Magen.
    2. Körperposition: Der Magen leert sich schneller, wenn man auf der rechten Körperseite liegt, da der Magenausgang in diese Richtung verläuft.
    3. Lebensmittelstruktur: Nahrungsmittel mit komplexen Kohlenhydratstrukturen oder vollständigen Proteinen verbleiben tendenziell länger im Magen.
    4. Ursprung: Tierische Lebensmittel benötigen in der Regel länger als pflanzliche Lebensmittel.
    5. Kauen: Die mechanische Zerkleinerung im Mund fördert die Verdauungsgeschwindigkeit.
    6. Fett: Je fetter die Nahrung ist, desto länger verweilt sie im Magen.
    7. Aggregatzustand der Nahrung: Je flüssiger ein Lebensmittel ist, desto schneller gelangt es in den Dünndarm.

Insgesamt führt dies dazu, dass rohe, weiche und harte Eier unterschiedliche Magenverweildauern haben, wobei der Unterschied über eine Stunde betragen kann. Ein Whey-Shake, der auf leeren Magen getrunken wird, kann hingegen innerhalb von 30 Minuten im Magen verwertet sein.

Proteine müssen in Aminosäuren gespalten werden

Der Großteil der Proteindigestion erfolgt im Dünndarm. Proteine setzen sich aus proteinogenen Aminosäuren zusammen, die lange Ketten von 100 oder mehr Aminosäuren bilden. Um Proteine verwerten zu können, muss der Körper diese mithilfe verschiedener Enzyme aufspalten. Diese Enzyme wirken gezielt auf bestimmte Aminosäuren.

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Beispielsweise spaltet das Enzym Trypsin Aminosäurenketten an Verbindungen mit Lysin- oder Argininresten. Elastase hingegen löst spezifisch Bindungen, an denen Alanin, Valin, Leucin oder Isoleucin beteiligt sind. Proteine mit einem hohen Anteil an der Aminosäure Prolin sind dagegen besonders stabil und werden vom menschlichen Körper nur schwer verdaut. Daher ist Weizeneiweiß, wie Gluten oder Seitan, schwer verdaulich.

Die Aufnahme von Aminosäuren im Dünndarm

Nach der Freisetzung der Aminosäuren aus den Proteinstrukturen erfolgt ihre Aufnahme durch verschiedene Transportmechanismen. Dabei werden die unterschiedlichen Aminosäuren nicht gleichbehandelt:

  • Verzweigtkettige Aminosäuren (BCAAs) werden schneller absorbiert als kleinere Aminosäuren.
  • Neutrale Aminosäuren gelangen schneller in den Körper als basische (Histidin, Lysin und Arginin) und saure (Asparaginsäure und Glutaminsäure) Aminosäuren.
  • Essenzielle Aminosäuren werden bevorzugt gegenüber nicht-essentiellen Aminosäuren verstoffwechselt.
  • Methionin, Leucin, Isoleucin und Valin werden somit am schnellsten vom Darm aufgenommen, während Glutamat und Aspartat am langsamsten verstoffwechselt werden.

Neben Aminosäuren werden auch Peptide, hauptsächlich Di- und Tripeptide, über ein weiteres Transportsystem vom Körper aufgenommen. Diese bestehen aus zwei oder drei Aminosäuren. Aufgrund der hohen Effizienz und Geschwindigkeit dieser Aufnahmeform gelangen viele Aminosäuren auf diesem Weg in den Körper.

Generell kann der Körper mehr als 30 Gramm Protein pro Mahlzeit verwerten – Bild: Shutterstock

Aminosäuren, die nicht im Dünndarm absorbiert werden, gelangen schließlich in den Dickdarm. Dort verarbeiten die ansässigen Bakterien teilweise die Eiweißstrukturen, was zu Blähungen führen kann, jedoch findet keine weitere Verwertung für den Körper statt. Dies führt uns zur eingangs gestellten Frage.

Kann der Körper mehr als 30 Gramm Eiweiß auf einmal aufnehmen?

Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden, da sie von verschiedenen Faktoren abhängt. Werden 30 Gramm Protein in Form eines Whey-Shakes konsumiert, gelangen die Aminosäuren schneller in den Dünndarm als bei hastigem Verzehr eines Steaks in großen Stücken. Während der Shake kaum im Magen verweilt, benötigt die Verdauung des Fleisches mehr Zeit. Doch wie kommt die konkrete Angabe von 30 Gramm zustande?

Der Hintergrund dürften Untersuchungen zur Anregung der Proteinsynthese nach eiweißreichen Mahlzeiten sein. Bereits 2009 wurden zwei Studien vorgestellt, in denen Eiweißshakes bzw. Steak-Mahlzeiten verwendet wurden. Die Forscher stellten keinen weiteren Anstieg der Proteinsynthese fest, wenn die 30-Gramm-Grenze überschritten wurde.

Das bedeutet jedoch nicht, dass das überschüssige Protein nicht verwertet wird. Besonders bei festen Mahlzeiten ist die Magenverweildauer zu berücksichtigen. Wenn – wie in einer der Untersuchungen – die dreifache Menge an magerem Rindfleisch konsumiert wird, benötigt der Körper auch entsprechend länger, dieses Protein in den Dünndarm weiterzugeben. Eiweißshakes verhalten sich hingegen anders.

100 Gramm Protein im Shaker?

Das Einfüllen sehr großer Mengen Proteinpulver in einen Shaker und das schnelle Trinken kann zu einer übermäßigen Proteinzufuhr führen. Abhängig von der individuellen Enzymproduktion und der Länge des Dünndarms, die bei jedem Menschen unterschiedlich sein können, verwertet der Körper unterschiedlich viele Aminosäuren. Der Rest gelangt in den Dickdarm und wird ausgeschieden.

Für diejenigen, die größere Mengen Protein in flüssiger Form einnehmen möchten, ist es ratsam, dies über den Tag zu verteilen. Auch nach dem Training gibt es keinen Grund zur Hast.

Die Proteinsynthese bleibt nach dem Training für mehrere Stunden erhöht. Da der Dünndarm zudem pro Viertelstunde nur etwa 250 ml Wasser aufnehmen kann, ist es sinnvoll, größere Post-Workout-Shakes in kleineren Portionen zu konsumieren. Der übliche Scoop mit knapp 30 Gramm als Einzelportion ist jedoch kein Problem!

Der Körper kann mehr als 30 Gramm Protein verwerten!

Mahlzeiten mit einem Proteingehalt von über 30 Gramm sind unproblematisch. Im Laufe des Tages vermischt sich die aufgenommene Nahrung mit den bereits im Magen vorhandenen Resten, wodurch eine sukzessive Abgabe an den Dünndarm erfolgt. Bei Eiweißshakes sollte jedoch beachtet werden, dass übermäßige Mengen an Protein nicht zwangsläufig vorteilhaft sind.

Personen, die mehr als 30 Gramm Protein in flüssiger Form konsumieren möchten, sollten den Shaker nicht in einem Zug leeren, sondern das Getränk über einen längeren Zeitraum verteilen. Wer hingegen unter (übel riechenden) Blähungen leidet, sollte die Größe seiner Proteinmahlzeiten reduzieren oder die Aufnahme stärker über den Tag verteilen.

Titelbild: Shutterstock | Autor: Dr. Frank-Holger Acker

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