Dorian Yates leitete mit seinem Sieg auf dem Mr. Olympia 1992 eine neue Ära im Bodybuilding ein. Stand die Symmetrie bei einer außergewöhnlichen Muskelmasse bis dahin vornehmlich im Fokus, verlangt der Erfolg im Schwergewichtsbodybuilding seitdem immer mehr Muskelmasse. Neben Diskussionen um den Missbrauch von Synthol ist ein weiterer Kritikpunkt der zunehmend geringer werdenden Fokus auf das Posing im Bodybuilding. Lee Labrada bezog nun öffentlichen einen Standpunkt.
Lee Labrada gilt als einer der besten Poser aller Zeiten
Lee Labrada ist einer der besten Bodybuilder der frühen 90er. Sieben Jahre hintereinander belegte er mindestens den vierten Platz beim Mr. Olympia, wobei er in den Jahren 1989 und 1990 beide Male den Vize-Titel gewinnen konnte. Während das Bodybuilding sich Mitte der 90er zunehmend zu mehr Masse hin entwickelte, blieb der US-Amerikaner seiner Philosophie treu und fokussierte sich weiterhin auf Ästhetik und Präsentation.
Im Interview mit Terrence Ruffin spricht Lee Labrada über seine Vorbilder, wenn es um das Posing ging. So habe er sich von Ed Corney, Frank Zane oder Samir Bannout inspirieren lassen. Er habe seinen eigenen Stil entwickelt, aber es als hilfreich empfunden, sich von diesen Ikonen beeinflussen zu lassen. Er habe Ed Corney das erste Mal mit sieben Jahren live gesehen, was ihn damals unglaublich beeindruckt habe.
Der Bodybuilder habe auf Lee Labrada wie eine sich bewegende Statue gewirkt. Dieser Effekt sei deshalb so imposant gewesen, da Ed Corney nicht nur von Pose zu Pose sprang, sondern begriff, dass die Übergänge zwischen den Posen deutlich wichtiger sein, wenn es um die Wirkung der Präsentation gehe. Insbesondere Mitte der 80er hätten dies alle Wettkampfbodybuilder verinnerlicht.
Posing spielt im Bodybuilding heutzutage eine geringe Rolle
Heutzutage nehme das Posing dagegen eine untergeordnete Rolle ein. Während das Stellen der Grundposen weiterhin ein Bewertungskriterium ist, übt eine Kür in der Regel keinen Einfluss mehr auf das Gesamtergebnis aus. Auf Amateur-Ebene verzichten viele Verbände inzwischen sogar auf die Umsetzung und überlassen es den Wettkampfathleten, ob sie eine optionale Posingkür durchführen wollen.
Das Ergebnis dieses Prozesses ist nicht nur, dass die Athleten heutzutage von einer Grundpose zur anderen springen, sondern habe auch zur Entwicklung der viel kritisierten Blähbäuche im Profibodybuilding geführt. Lee Labrada vertritt die Position, dass nicht Wachstumshormone oder Insulin für diese Entwicklung verantwortlich sein, sondern mangelnde Körperspannung.
Die Athleten sein schlichtweg zu faul geworden, ihr Posing zu üben, so dass außerhalb der Pflichtposen zu wenig Körperkontrolle umgesetzt werden würde. Lee Labrada selbst gibt als Beispiel Roelly Winklaar an, der seine Bauchkontrolle deutlich auf der Bühne im Laufe der Karriere verbessert habe. Das bekannteste Beispiel, auch wenn dieses vom ehemaligen Vize-Olympia nicht angeführt wird, dürfte aber Ben Pakulski sein, der zum Ende seiner Karriere fast schon eine Vakuum-Pose stellen konnte.
Posing sei wie das Spielen eines Instruments
Lee Labrada erklärt, dass Athleten darüber hinaus ihren eigenen Stil entwickeln müssten. Posing sei wie das Erlernen eines Instruments. Zwei Musiker mögen Note für Note dasselbe Lied spielen, aber am Ende doch einen individuellen Stil entwickeln. Genauso sollten Athleten im Bodybuilding das Grundprinzip einer Pose verstehen, diese dann aber an die eigenen Strukturen anpassen bzw. im Rahmen der eigenen Voraussetzungen umsetzen.
Herausragende Athleten würden schließlich eine eigene Kunst aus dem Posing entwickeln. Sein es bekannte Profis wie Kai Greene oder auch Athleten wie der Australier Pete Hartwig, der in seinen Posings regelmäßig eine Blume künstlerisch einfließen ließ.
Letztendlich solle eine Posing-Routine wie ein Tanz anmuten und eine für sich alleinstehende Kunstform sein. Jeder müsse zu Beginn seiner Karriere das Posing erst erlernen, doch genau dieser Lernprozess sei es, den Lee Labrada sich wieder häufiger im Bodybuilding wünschen würde.
(fha) | Titelbild: Matthias Busse
da hat er vollkommen recht…