Night of Champions 2002: Der beste Rühl aller Zeiten?

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Markus Rühl ist aus vielen Gründen zu einer lebenden Legende des Bodybuildings geworden. Fans im In- und Ausland feiern einen der massigsten Athleten, der jemals eine Bühne betreten hatte, bis heute. Ein Auftritt sticht dabei aus Rühls Sportlerbiografie besonders hervor: die Night of Champions 2002. Wir blicken auf eine epische Nacht zurück.

Die Night of Champions

Die Night of Champions war der Vorgängerwettkampf der heutigen New York Pro. Die erste Ausgabe wurde 1978 ausgetragen. Die Umbenennung erfolgte 2004 nach einem Zerwürfnis zwischen dem Veranstalter und der IFBB.

Unabhängig von ihrem Namen zählt die Veranstaltung im historischen Beacon Theatre auf dem Broadway zu den Highlights des Wettkampfjahres. Nicht nur, weil das Starterfeld immer voller echter Hochkaräter steckt. Auch das New Yorker Publikum weiß stets für Festivalstimmung zu sorgen.

Markus Rühl und die Night of Champions – was zuvor geschah

Natürlich war Markus Rühl auch vor jener legendären Night of Champions 2002 längst kein Unbekannter. Seinen ersten Bodybuilding-Wettkampf bestritt der Hesse 1995 auf einem regionalen Cup. Seine Profilizenz gewann er 1997 im Anschluss an die Deutsche Meisterschaft. Von dort aus konnte seine internationale Reise beginnen. Und die wurde bekanntlich fulminant.

Die Night of Champions in New York City hatte es Rühl schon immer angetan. Hier gab er 1998 sein Debüt bei den Profis und belegte einen respektablen 9. Platz – immerhin stand er mit Größen wie Lee Priest oder Ronnie Coleman auf der Bühne. Danach nahm er eine einjährige Auszeit, um sich bestmöglich auf den nächsten Versuch im Big Apple vorzubereiten.

Bei der Night of Champions 1999 belegte Rühl einen 4. Platz. Es war die Nacht, in der sich das New Yorker Publikum unsterblich in den deutschen Giganten verliebte. Die Verkündung seiner unverständlichen Platzierung sorgte für hörbaren Unmut im Publikum. Immerhin sicherte er sich aber seine erste Qualifikation für den Mr. Olympia 1999.

Die Night of Champion 2000 ging Rühl mit Rückenwind von seinem ersten Profi-Sieg auf der Toronto Pro an. Nur besiegt vom späteren Mr. Olympia-Gewinner Jay Cutler wurde er Zweiter. Ein tolles Ergebnis eigentlich. Doch das New Yorker Publikum erzürnte sich erneut über den verpassten Sieg ihres Favoriten.

Die Saison 2001/2002: unter mäßigen Vorzeichen

Das Jahr 2001 zählte nicht zu den glanzvollsten in Rühls Karriere. Nach einer Wettkampfauszeit im Frühjahr war sein erster und einziger Wettkampf ausgerechnet der Mr. Olympia, den er auf einem enttäuschenden 14. Rang beendete. Ein Nabelbruch kurz vor Las Vegas war nicht mehr rechtzeitig geheilt.

Markus Rühl auf der Night of Champions 2002: Mit Rammstein in die Herzen der Fans

Bis zur Night of Champion 2002 schaffte es Rühl trotz vorheriger Rückschläge, wieder in Topform zu kommen. Oder besser gesagt: In die Form seines Lebens, wie es seitdem immer wieder geheißen hat.

Auf seinen knappen 1,77 Meter brachte Rühl fast 130 Kilogramm auf die New Yorker Bühne. Seine brutale Masse war schon immer sein Markenzeichen gewesen. Auf dieser Night of Champion kam noch eine tolle Härte dazu. Der Freak-Faktor war perfekt. Rühl sorgte dafür, dass gestandene Bodybuilder der Weltspitze neben ihm wie kleine Jungs aussahen. Vielleicht, so behauptet es der ein oder andere hämisch, täte sich dieser Kontrast auch im Lineup des heutigen Mr. Olympia auf.

Doch zurück zu 2002. Als großer Favorit hatte eigentlich der Vorjahressieger Bob Cicherillo gegolten. Rühl konnte ihm zwar mindestens das Wasser reichen, das war schon in der Woche vor Tag X klar. Doch dass die Kampfrichter den Deutschen jemals gewinnen lassen würden, diese Hoffnung hatten viele inklusive Rühl selbst nach den schlechten Erfahrungen der Vergangenheit schon beinah aufgegeben.

Aber dieses Mal sollte die Geschichte ihr Happy End bekommen. In einem Feld von mehr als 30 Startern wusste der vielleicht beste Rühl aller Zeiten zu brillieren. Auf reddit schrieben User Jahre später „he looks like a human cartoon“ oder „naturally photoshopped“. Die perfekte Beschreibung für den beinah surreal wirkenden Look, den er dem Publikum bot.

Nach dem Vorentscheid zog Rühl ungefährdet ins Finale der besten Fünf ein. Im Posedown gab er noch mal alles. Als Posingmusik hatte er Rammstein gewählt – ein deutscher Exportschlager, den die Amerikaner heiß und innig lieben. Genau wie ihn. Nach eigenen Angaben poste er vollkommen spontan. Was ihm an Rhythmusgefühl und Beweglichkeit fehlte, machte er durch Charisma mehr als wett. Die Halle tobte. An die ikonischen „Ruhl! Ruhl!“-Rufe der Zuschauer, die mit unseren Umlauten so ihre Probleme haben, wird Markus Rühl sein Leben lang gern zurück denken.

Markus Rühl gewinnt in New York

Nach dem Auftritt war auch ihm klar: Es würde ganz sicher für die Podestplätze reichen. Mindestens. Als für den zweiten Platz der favorisierte Cicherillo ausgerufen wurde, wirkte Rühl dennoch komplett unvorbereitet auf seinen großen Triumph. Überwältigt von dem Sieg auf dieser Show, die zuvor immer mit seinen Gefühlen gespielt hatte, fiel der Riese auf die Knie. Überflüssig zu erwähnen, dass die Menschen im Beacon Theatre ihren Liebling gebührend feierten.

Rühl bezeichnete den Wettkampf später nicht nur als den erfolgreichsten, sondern auch anstrengendsten Auftritt seiner Laufbahn. Die frisch verheilte Nabelverletzung erschwerte die Kontrolle der Mittelpartie. In der Nacht danach plagten ihn Krämpfe in den Bauchmuskeln.

Dritter wurde übrigens der Spanier Paco Bautista, der ebenfalls als Anwärter auf den Sieg gehandelt wurde. Neben Rühl vertrat auch Heiko Kallbach das deutsche Bodybuilding in New York. Er wurde jedoch nicht platziert.

Was danach geschah

Mit dem Sieg auf der Night of Champions qualifizierte sich Rühl für den Mr. Olympia 2002. Hier wurde er Achter. Eine beachtliche Leistung, die aber nicht ganz seinen Wunschvorstellungen entsprochen haben dürfte.

Dem Sieg auf der Night of Champion 2002 sollte kein weiterer mehr folgen. Auf der Arnold Classic 2003 wurde er noch Dritter mit einem Paket, das dem auf der NoC in puncto Qualität schon sehr nahe kam. Beim Mr. Olympia 2004 erfüllte sich Rühl mit Platz 5 den Traum von der Finalplatzierung. Danach lief es in Las Vegas mit Platz 15 (2005) und Platz 8 (2006) nicht mehr ganz so rund. 2007 gab Rühl seinen Rücktritt vom Profi-Bodybuilding bekannt. Aufgrund eines nie ausgeheilten Brustmuskelabrisses sah er sich nicht mehr in der Lage, mit der Spitze mithalten zu können.

Sein überraschendes Comeback gab Rühl 2009 in – ihr ahnt es – New York City. Die mittlerweile in New York Pro umbenannte Show endete mit Rang drei. Ein Ergebnis, das einmal mehr die Fans und natürlich auch den Athleten selber sehr missgünstig stimmte. Nach einem weiteren gefloppten Auftritt beim Mr. Olympia begab sich Rühl dann endgültig in den Bodybuilding-Ruhestand.

Bis heute verteilt Markus Rühl gern kleine Stiche gegen diverse Kampfgerichte, die ihm oft nicht wohlgesonnen schienen. Andere behaupten, dass das Komplettpaket, das er auf der Night of Champion 2002 gezeigt hatte, eben eine einmalige Sache gewesen sei. In jedem Fall hat „the German Beast“ der Bodybuilding-Welt beeindruckende, unterhaltsame und rührende Momente geschenkt. Nicht nur damals auf dem Broadway.

Autorin: Ulrike Hacker | Titelbild: Youtube

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