Anja Langer – die deutsche Bodybuilding-Walküre

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Jahrzehnte bevor die „Strong is the new skinny„-Bewegung junge Frauen scharenweise in die Fitnessstudios lockte, verschrieb sich ein junges Mädchen aus Baden-Württemberg ganz dem Bodybuilding. Anja Langer brachte es in den 80er-Jahren zu nationaler und internationaler Bekanntheit. Bis heute taugt ihre ästhetische Interpretation des Sports zum Vorbild.

Anja Langers Kindheit und Jugend

Anja Langer wurde im Juni 1965 in Stuttgart geboren. Sie wuchs in einem ländlichen Gebiet in der Nähe der Baden-Württembergischen Hauptstadt auf. In der Freiheit der Natur entdeckte sie schnell ihre Begeisterung und Begabung für körperliche Aktivitäten jeder Art.

Da ihre Eltern Pferde besaßen, fand Anja schnell den Zugang zum Reiten. Ihre erste leistungssportliche Disziplin war das Turnen. Später unternahm sie einen kurzen Ausflug ins Wasserspringen und widmete sich schließlich dem Jazzdance. Hier eignete sie sich kreative Bewegungskompetenzen und ein Ausdrucksvermögen an, von dem sie in ihrer späteren Bodybuilding-Karriere sehr profitieren konnte.

Vom Keller auf die Bühne

1980, noch lange vor dem Zeitalter der Discountfitnessstudios und Pushup-Leggings, fand Anja Langer über einen Freund den Weg in ein Gym. Oder besser gesagt in einen dieser Kellerräume, in dem die damals noch randständigen Bodybuilder typischerweise das Eisen stemmten.

Die erst 15-jährige Anja zeigte von Anfang an eine erstaunliche Kraft und machte schnell auch sichtbare Fortschritte. Schon im Folgejahr wagte sie sich an ihren ersten Bodybuilding-Wettkampf. Auf der Baden-Württembergischen Meisterschaft belegte sie den vorletzten Platz. Davon ließ sich die Sportlerin aber keineswegs entmutigen.

Anjas goldene 80er

Ihren zweiten Versuch 1982 ging Anja Langer wesentlich professioneller an. Sie las sich in die Trainings- und Ernährungswissenschaften ein und wurde schließlich Zweite auf der Landesmeisterschaft ihrer Heimat. So war sie, noch nicht einmal volljährlich, zumindest in der regionalen Spitze angekommen.

Von da an ging es für Anja Langer steil bergauf. Es folgte eine mehrjährige Erfolgswelle bei den Amateuren.1984 belegte sie auf der deutschen Meisterschaft der NPC Platz 4. Im selben Jahr wurde sie Vize-Weltmeisterin im Paarposing. Es folgte der Junioren-Weltmeistertitel 1985, der Europameistertitel 1986 und der Gesamtsieg auf der Deutschen Meisterschaft des DBFV 1986.

Neben dem Bodybuilding machte Anja den Realschulabschluss und absolvierte, ihren künstlerischen Neigungen folgend, eine dreijährige Ausbildung zur Design-Assistentin. Die finanziell klammen Lehrjahre musste sie im Elternhaus zubringen. Und da dieses ihrer sportlichen Leidenschaft nicht viel abgewinnen konnte, zog sie ihre Wettkampfvorbereitungen heimlich im Keller des Freundes durch.

Anja Langers Bodybuilding-Profikarriere

1986 wurde Anja Langer aus nicht näher benannten Gründen vom IFBB-Landesverband Baden-Württemberg für ein Jahr gesperrt. Sie nutzte die Zeit für die intensive Vorbereitung auf ihre erste Profi-Saison.

1987 gab sie ihren Einstand in der IFBB Profiliga auf dem Ms. Olympia in New York City. Das Event war zu damaliger Zeit der renommierteste Frauenwettkampf der Welt. Anja belegte in einem mit 16 Starterinnen stark besetzten Feld einen hervorragenden vierten Platz.

Im selben Jahr wurde Anja auch Vizeweltmeisterin bei den IFBB-Profis. Ein bemerkenswerter Einstand, insbesondere, weil sie mitten in der Vorbereitung den Tod ihres Vaters verkraften musste. Dieser hatten dem Bodybuilding zwar bis zuletzt kritisch gegenüber gestanden. Dennoch war das Verhältnis zwischen Vater und Tochter eng. Anja widmete ihre Wettkampfleistungen dem Verstorbenen und schöpfte Kraft aus dem Gedanken, wie stolz er trotz allem auf sie gewesen wäre.

Der legendäre Ms. Olympia-Vizetitel

Der Ms. Olympia 1988 sollte Anja Langer endgültig einen Eintrag in die Geschichtsbücher des internationalen Frauen-Bodybuildings verschaffen. Hinter der sechsfachen Siegerin und späteren Schauspielgröße Cory Everson belegte sie den zweiten Platz. Fans aus aller Welt verliebten sich in „The German Valkyrie“.

Beste Werbung für das Frauen-Bodybuilding

Bei 65 Kilogramm Wettkampfgewicht auf 1,70 Meter begeisterte die Süddeutsche durch eine Ästhetik, die bis heute von vielen als Goldstandard betrachtet wird. Ihre Muskulatur insbesondere an den Beinen war für damalige Verhältnisse sehr gut ausgeprägt, dennoch behielt sie ihre tolle Linie und Weiblichkeit stets bei. Ihrem tänzerischen Background zum Dank bot sie stets ein künstlerisch anspruchsvolles Posing. Dazu blonde Haare, ein Hollywood-Lächeln – Anja Langer schien wie geschaffen für das Bühnenlicht.

Zu ihrem sportlichen Vorgehen ist wenig bekannt. Sie soll trotz großen Talents für den Kraftsport überwiegend auf eher leichte Gewichte und hohe Wiederholungszahlen mit vielen Isolationsübungen gesetzt haben. Sie trainierte stets an drei aufeinanderfolgenden Tagen und legte dann einen Restday ein. Die Frage nach unterstützenden Mitteln verneinte sie öffentlich. Es ginge ihr bei dem Sport ja um Langfristigkeit und Gesundheit.

Mutterschaft und ein jähes Ende

Nach den gelungenen Auftritten auf dem Ms. Olympia träumte Anja Langer durchaus berechtigt vom Titelgewinn. Doch eine ungeplante Schwangerschaft durchkreuzte ihre Pläne. 1991 brachte sie ihren Sohn Elias zur Welt. Er trat später in die Fußstapfen seiner Mutter und lebt heute als Personal Trainer auf Hawaii.

Anja Langer kehrte nach der Mutterschaft nicht mehr auf die Wettkampfbühne zurück. Sie schrieb mit dem renommierten Sachbuchautor Bill Rynolds das Buch „Body Flex – Body Magic“, das 1992 erschien. In den frühen 90ern trat sie auf Shows auf und lebte das Bodybuilding nur noch als Kunstform ohne Wettkampfambitionen aus.

Im Jahr 2000 heiratete sie einen Offizier der amerikanischen Special Forces. Mit der Ehe kamen gute Connections in die Bodybuilding-Szene. Das führte zwar zu keinem Comeback, dafür aber zu einer erfolgreichen Zweitkarriere als Fitnessmodell. Anja wurde in den damals auflagenstärksten Magazinen wie Flex oder Muscle&Fitness mehrfach abgelichtet und blieb so auch ohne Wettkampfaktivitäten immer im Gespräch.

Sie selbst sagte, die ständigen Diäten hätten ihrem Körper zu viel abverlangt. Sie wolle jetzt vor allem ihre Modeltätigkeit nutzen, um junge Frauen zu einem gesunden, sportlichen Leben zu inspirieren. Bisweilen ist aber auch zu vernehmen, dass sie dem Wettkampf-Bodybuilding insbesondere im Frauenbereich zuletzt in vielen Aspekten kritisch gegenüber stand.

Was macht Anja Langer heute?

Mittlerweile ist es um die einstige Star-Bodybuilderin ruhig geworden. Die sozialen Medien scheint sie ignorieren zu wollen. Die kurzzeitige Leitung eines eigenen Fitnessstudios gab sie Ende der 90er-Jahre wieder ab. Sie arbeitet aber weiterhin als Trainerin und Ernährungscoach und lebt immer noch im Stuttgarter Raum.

2011 wurde sie als erste und bislang einzige Deutsche in Joe Weider’s Hall of Fame aufgenommen. Damit wurde einer Frau ein Denkmal gesetzt, deren Karriere wahrscheinlich vor ihrem Höhepunkt endete. Dennoch darf sie als eine Wegbereiterin des modernen Bodybuildings verstanden werden – mit den heutigen technischen Mitteln wäre sie gewiss eine erfolgreiche Influencerin mit wahrhaftem Vorbildcharakter geworden.

Autorin: Ulrike Hacker | Titebild: Sportrevue 5/88

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